Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tortengraeber

Tortengraeber

Titel: Tortengraeber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
Vom Netzwerk:
vernachlässigt hatte. Auf der anderen Seite war es ja auch höchst nachlässig, eine Millionenerbin ausgerechnet einem dickleibigen Analytiker anzuvertrauen. Frau Lukas prophezeite, daß sich die Geschichte in Wohlgefallen und bedeutungslose Schuldzuweisungen auflösen würde. Ganz gleich, was das Mädchen für eine Aussage mache.
    Wiese murrte zwar. Aber wir waren zufrieden. Warum sollte sich das Orakel täuschen?«
    »Und deshalb haben Sie vorgegeben«, sagte Cerny, das Kopfschütteln unterdrückend, »Sarah sei in Purkersdorf entführt worden.«
    »So hat es Wiese der Polizei gegenüber dargestellt. Er erklärte, er, ein Freund der Familie, sei mit dem Mädchen in einer Ausstellung gewesen. Was ja auch stimmte. Und dann habe er sie nach Purkersdorf zurückgebracht, von wo sie entführt worden sei. Er hat da irgendeine dramatische Geschichte aufgetischt, hat sicher versucht, nicht allzu schlecht dazustehen. Er ist ein phantastischer Lügner.«
    »Was hat die Lukasrunde eigentlich mit Frau Hafner zu schaffen? Vom Glas kommen Sie ja alle nicht.«
    »Hufeland hat uns eingeführt. Man ist befreundet.«
    »Ich kann mir keine Freundschaft mit dieser Dame vorstellen«, meinte Cerny.
    »Ihr Problem. – Weiter in der Geschichte. Oder nicht?«
    »Aber bitte.«
    »Nach einigen Tagen ist unser Bäckermeister also zurückgekehrt. Unseligerweise ohne Sarah. Alle vier waren wir in der Bäckerei erschienen. Die Lukas erklärte, die anderen Male sei ihr Mann völlig ruhig gewesen und anstandslos zu seiner Arbeit zurückgekehrt. Jetzt aber heulte er in einem fort, gab sein Schweigen auf, stammelte zunächst wirres Zeug, wurde dann etwas klarer in seinen Aussagen, beschwerte sich bitter, man habe ihn hereingelegt, ihm ein todkrankes Mädchen aufgehalst, das in seinen Armen gestorben sei. Wie stehe er jetzt da. Er könne sich das nicht bieten lassen, werde Strafanzeige erstatten, sich mit allen Mitteln gegen eine Verleumdung zur Wehr setzen, werde den Staatsanwalt herbeizitieren usw. Beruhigen hat sich der Mensch nicht lassen. Immerhin hat die Lukas ihn dazu gebracht, uns zu dem Versteck zu führen. Wieder ein Weinkeller. Das Mädchen ist in der Ecke gelegen. Keine Zeichen von Gewaltanwendung. Hufeland und Wiese sagten, das Kind sei quasi verhungert. Ich bitte Sie, die beiden Herren sind Mediziner! So einfach konnte man das eben sagen. Dabei war der Tisch mit Lebensmitteln vollgeräumt. Freund Wiese wollte dem Bäckermeister an die Gurgel. Wir mußten ihn festhalten. Die Madame hingegen blieb erstaunlich ungerührt. Verlangte, daß die Leiche woandershin gebracht werde, da jemand ihren Mann gesehen haben könnte. Was sollten wir tun, wir steckten da jetzt vollends drinnen. Ein Weg zurück tat sich nicht auf. Hufeland sagte, gut, wenn es nun denn sein müsse, dann bereinige er das, werde das arrangieren, die Überführung der Leiche an einen anderen Ort. Taubenhofgasse, Sie wissen ja. Und der Lukas – wie mit einem Schlag – ist wieder in sein Schweigen zurückgefallen, zu seinen Briochekipferln und Topfengolatschen. Eine dumme, unglückliche, eine schreckliche Geschichte. Aber ein ordentlicher Abschluß. Hätte man meinen sollen.«
    »Warum eigentlich die Taubenhofgasse? Mitten in der Stadt?«
    »Eine Idee Hufelands. Sein Hang zu abenteuerlichen Lösungen. Der Mann hat sich einiges erlaubt. Schlußendlich wohl ein wenig zuviel.«
    »Noch einmal. Wieso mußten Wiese und Hufeland sterben?«
    »Sagen Sie es mir, Herr Inspektor. Ich weiß es nicht. Und bin überaus besorgt. Nur darum habe ich Ihnen das alles erzählt. Wer meint, die beiden hätten den Tod verdient, könnte auch Gähnmaul und mir die Pest an den Hals wünschen.«
    »Der Wunsch allein würde nicht weiter stören«, bemerkte der Bildhauer.
    »Richtig, alter Freund. Aber ich fürchte, Inspektor Cerny wird uns kaum seinen Schutz anbieten. Also müssen wir uns wohl oder übel auf uns selbst verlassen.«
    Rad öffnete für einen Augenblick sein Sakko, gewährte einen Blick auf den Griff seiner Automatik, als gewähre er die Chance, sich bei ihm zu entschuldigen. Cernys Begleiterin schnalzte mit der Zunge und meinte, ihr sei um einen solchen Mann nicht bange. Cerny selbst unterließ es, Rad nach einem Waffenschein zu fragen. Es gab kaum einen in diesem Land, der keine Legitimation besaß. Nur die wildesten Hunde gingen ohne Waffenschein aus dem Haus. Rad war bunt, aber nicht wild. Auch vermied es Cerny, dem Altmeister der Fechtkunst mit einer Verhaftung zu drohen. Keine

Weitere Kostenlose Bücher