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Tortengraeber

Tortengraeber

Titel: Tortengraeber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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könne.
    Cerny tat sich schwer, deutete an, gewisse Verdächtigungen seien gegen die Bäckersleute ausgesprochen worden, Vorwürfe, die er überprüfen müsse. Jedoch wolle er zu diesem Zeitpunkt noch nicht ins Detail gehen, sondern sich einmal in den Räumlichkeiten, vor allem in der Backstube umsehen. »Ich bin allerdings ohne Durchsuchungsbefehl gekommen.«
    »Aber ich bitte Sie«, sagte Franz Lukas, »Sie machen auch nichts anderes als Ihre Arbeit. Und ich kann mir ja denken, wer dahintersteckt.«
    »Und wer steckt dahinter?«
    »Eine Schande ist das. Man muß sich vor den eigenen Leuten fürchten. Ich rede von der Familie meiner Frau. Glauben Sie mir, diese Mischpoke ist eine Strafe. Vor allem die Schwester. Der ist jedes Mittel recht. Und alles bloß, weil sie meiner Frau diese winzige Erbschaft nicht gönnt. Dieses eine kleine Grundstück, ein Grundstück für Zwerge. Sind wir Zwerge?«
    Frau Lukas griff nach der Hand ihres Mannes. Kein Seufzen, kein niedergeschlagener Blick, bloß ein Anflug von Müdigkeit, als könne sie das Wort Grundstück nicht mehr hören.
    »Ich dachte, kein Mensch will nach Krems«, entfuhr es Cerny.
    Das Ehepaar sah ihn verwundert an.
    »Wie meinen Sie das?« fragte der Bäckermeister.
    »Sagen Sie mir nur, worum es bei dieser Erbschaft geht.«
    »Um ein simples Waldstück. Nahe Budweis.«
    Zu viert stiegen sie hinunter in die Backstube. Von einem Aquarium konnte keine Rede sein. Mehrere Neonröhren erhellten den Raum, der im Einklang mit seiner Bestimmung über einen mächtigen Backofen, eine Knetmaschine, eine Wirkanlage, unverdächtige Arbeitstische und die einschlägigen Geräte verfügte. Cernys in Falten gelegte Stirn veranlaßte den Bäckermeister zu der Bemerkung, daß die Anlage sicher veraltet sei, aber nichtsdestoweniger dem hygienischen Standard entspreche. Dafür stehe er mit seinem Namen gerade. Überhaupt begann er nun, sich über den Verfall seines Handwerks zu ereifern, die Politik der großen Betriebe anzuprangern, das Desinteresse der nachfolgenden Generation zu beklagen, die Schwierigkeiten mit dem Personal. Er holte eine Semmel vom Tisch und hielt sie dem Polizisten vor die Brust.
    »Probieren Sie. Von heute morgen. Aber ich, Franz Lukas, kann es mir leisten, Ihnen eine Semmel anzubieten, die einen Tag alt ist. Sie werden es nicht merken.«
    Cerny nahm die Semmel, biß hinein. Nun, sehr frisch schmeckte sie nicht. Doch er wollte den alten Mann, der eigentlich längst in Pension gehörte und hier wahrscheinlich nur noch als Seniorchef den guten Geist verkörperte, nicht kränken, weshalb er die behauptete Qualität dieser liegengelassenen Semmel bestätigte.
    Cerny und Resele wurden durch sämtliche Räume geführt, auch in die über dem Lokal gelegene Wohnung, die sauber und schlicht, ohne Merkmale gehobenen Wohlstands, das Ehepaar als Leute auswies, die sich selbst wenig gönnten. Sie bräuchten keinen Mercedes, sagte Frau Lukas, ihr ganzer Stolz bestehe darin, ein gutes Brot, eine gute Torte herzustellen.
    Cerny brannte eine Frage auf der Zunge. Doch nicht er, sondern seine kongeniale Partnerin im Augenverdrehen stellte sie, wollte wissen, ob andere Familienmitglieder im Betrieb tätig seien.
    Das Gesicht des Alten verdunkelte sich. Seine Frau sah zur Seite. Meister Lukas erklärte mit einer Stimme, deren Festigkeit ihm einige Mühe abverlangte, der Betrieb gehöre längst seinem ältesten Sohn, der sich aber außer um die Finanzen um nichts kümmere, ein fünfundvierzigjähriger Lebemann, unverheiratet, der mehr im Ausland sei als daheim, die meiste Zeit in Frankreich, wo er eine Firma besitze, die er mit dem Geld der Eltern gegründet habe.
    »Ausgerechnet in Frankreich«, beschwerte sich Meister Lukas. »Nimmt unser Geld und zieht zu den Franzmännern.« Der andere Sohn sei vor Jahren gestorben. Und wer das für ein Unglück halte, habe eben keine Ahnung.
    Seine Frau ermahnte ihn, so dürfe er nicht reden. Die Buben hätten sich eben nie für diesen Beruf geeignet.
    »Es ist ein guter Beruf«, sagte der Meister. »Ich hätte die zwei nicht aufs Gymnasium schicken dürfen. Man glaubt, man sei seinen Kindern eine höhere Bildung schuldig. Dann kommen sie aus der Schule und verachten dich.«
    Cerny fragte sich, wie man sich den überlebenden Sohn der beiden Alten vorstellen sollte. Vermutlich hünenhaft, arrogant, dezidiert städtisch, überzeugter Autofahrer und natürlich frankophil. Man würde ihn überprüfen müssen. Doch es war kaum anzunehmen, daß er in

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