Tortenschlacht
mit großer Geste ein. »Dieser Barolo ist wie die Musik von Verdi«, gurrt er, ganz feingeistiger Gourmet, »man nennt ihn den Wein der Könige: voller zarter Aromen, die sich erst allmählich auf der Zunge entfalten, bevor sie im Abgang geradezu furios über die bacchantischen Sinne herfallen. Fast wie ein Orgasmus …« Er grinst mich über seine Brille hinweg an. »… und mithin genau das Richtige für zwei Männer, die dieselbe Frau begehren.« Er hält mir lachend das Glas hin, und Monika protestiert.
»Hey, und ich krieg nichts?«
»Du bist der Grund unseres Leidens«, ruft er, reicht ihr aber trotzdem ein Glas, »dennoch will ich dir diesen großartigen Tropfen nicht vorenthalten. Ich habe ihn aus einem kleinen und sehr alten Weingut in der Nähe von Castiglione, wo ich den Sommer verbracht habe.«
»Ach«, spotte ich, »gehört die Stasi jetzt auch zur Toskanafraktion?«
»Piemont«, korrigiert mich Siggi gelassen und gießt sich selbst ein, »der Barolo kommt aus dem Piemont. Das solltest du als eingefleischter Wessi eigentlich wissen.«
»Ich bin zur Hälfte Amerikaner«, erinnere ich ihn, »und die haben ja bekanntlich keine Kultur.«
»Habe ich das je behauptet?« Siggi sieht mich spöttisch an. »Woran arbeitest du gerade?«
Komische Frage, denke ich. So reden Künstler, die sich nach ihren Projekten erkundigen. »Geht dich das was an?«
»Sicher nicht.« Siggi setzt sich auf das Sofa und schlägt die Beine übereinander. »Aber die Arbeit der Kripo hat mich schon als kleiner Junge fasziniert. Komplizierter Fall?«
»Ein Toter bei Hausbrand«, erkläre ich kühl, »ein Selbstmord. Reine Routine.«
»Dafür siehst du ziemlich müde aus«, stellt Siggi fest.
»Der Eindruck täuscht.«
»Na, denn!« Siggi hebt sein Glas und prostet mir zu. »Santé, mein Lieber!«
»Auf die Stasi im Piemont«, erwidere ich.
»Herrgott, nun reite doch nicht dauernd auf meiner Vergangenheit im Ministerium herum.« Siggi stellt sein Weinglas, ohne daraus zu trinken, wieder ab. »Du warst schließlich auch mal beim Verfassungsschutz. Wir waren im selben Metier, nur auf verschiedenen Seiten der Mauer.«
»Nur dass ich meinen Dienst beim VS schon 1973 quittiert habe«, stelle ich klar.
»Quittieren musstest«, widerspricht Siggi, »wegen Unfähigkeit. Weil dir jeder Weiberarsch wichtiger war als dein Auftrag!«
»Wollten wir nicht anstoßen?«, fragt Monika, doch niemand achtet auf sie.
»Na und?«, rufe ich. »Ich war eben jung. Jung, verliebt und leichtsinnig. Wie das so ist mit Mitte zwanzig.«
»Du machst es dir einfach«, knurrt Siggi. »Dein Leichtsinn hat Monika für Monate ins Gefängnis gebracht. Schon vergessen?«
»Nicht ich, sondern ihr habt Moni eingesperrt.« Schon sind wir wieder beim Thema. »Das war euer neurotisches System.«
»Hey«, ruft Monika, »auf mein neues Leben in Berlin, okay?« Sie stößt mit ihrem Glas erst an meines, dann an Siggis. »Prost!«
Die Gläser klirren harmonisch, und ich trinke einen Schluck. Tatsächlich ist der Wein ausgezeichnet, aber ich lasse es mir nicht anmerken.
Auch Siggi trinkt. »Wie geht es eigentlich Melanie?«, erkundigt er sich dann.
Nächstes Reizthema, denke ich.
»Prima«, meint Monika sarkastisch, »heute Nacht um drei kamen sie beide total bekifft und verdreckt von einem Punkkonzert zurück.«
»Ich war nicht bekifft«, entgegne ich und sehe Monika verärgert an. »Hältst du es für klug, das im Beisein deines Exmannes zu besprechen?«
»Na hör mal!« Siggi hebt die Arme. »Ich bin schließlich der Vater dieses Kindes.«
Na klar, denke ich, jetzt kommt das wieder: Siggi, der Oberpapi. »Hast du sie gezeugt?«
»Das leider nicht.« Siggi erhebt sich vom Sofa und schlendert nachdenklich im Raum herum. »Aber ich habe mich um sie gekümmert. Sie gewindelt, in den Kindergarten gebracht, ihr die erste Schultüte gekauft … Wir waren eine glückliche Familie damals, nicht wahr, Monika?«
»Kaum«, erwidert die. »Sonst hätte ich mich nicht von dir getrennt.«
»Das verstehe ich bis heute nicht!« Siggi starrt auf sein Weinglas. Plötzlich sieht er sehr traurig aus, wie ein Kind, das gleich losheult. »Ich habe doch nur immer das Beste gewollt«, sagt er leise, »für dich und auch für das Kind. Melanie hat mich Papa genannt, sie war wie meine eigene Tochter. Ich habe alles für euch getan, immer. Ihr wart meine Familie, ich wäre gestorben für euch. Stattdessen …«
»… haben wir dich verlassen«, lächelt Monika und streicht
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