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Tortenschlacht

Tortenschlacht

Titel: Tortenschlacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver G Wachlin
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Brandopfer?«
    »Gleich dort.« Hünerbein deutet auf einen schwarzen Leichenwagen, der mit aufgeklappten Hecktüren im Regen steht. »Kein schöner Anblick.«
    »Tote sehen nie gut aus«, näselt Kurzweil knapp und marschiert mit Schirm und Arztköfferchen unverzüglich auf den Leichenwagen zu.
    »Sie übrigens auch nicht, Knoop«, stellt der Totengräber munter fest, »mal wieder ‘ne lange Nacht mit zu viel geistigen Getränken verbracht?«
    »Ihm geht’s nicht gut«, erklärt Hünerbein, »macht sich Sorgen um seine Tochter.«
    »Tja, die Pubertät«, nickt Graber mitfühlend, »irgendwann werden sie halt alle erwachsen. Aber der Schmerz geht vorbei, Knoop, Kinder sind eine Beziehung auf Zeit – das unterscheidet sie von der Ehe.« Er schlendert zu seinem Ostberliner Kollegen. »Und Doktor? Wie sieht der Patient aus?«
    »Gut durch«, erwidert Kurzweil, der inzwischen im Leichenwagen über dem Sarg klemmt und den Inhalt eingehend untersucht.
    »Übrigens ein ganz ausgezeichneter Fachmann«, raunt uns Graber zu, »ich habe einige seiner Publikationen in der Fachpresse gelesen. Auf dem Gebiet der Forensik stehen uns die Ostkollegen in nichts nach.«
    »Uns fehlt’s manchmal noch an ordentlicher Analysetechnik«, näselt Kurzweil über die Leiche gebeugt, »aber das wird ja jetzt alles mit der Einheit.«
    »Bis dahin helfen wir gern aus«, versichert Graber und klopft dem Kleinen gönnerhaft auf die Schulter. »Wenn Sie nun die Güte hätten, unseren Kollegen bezüglich des Todeszeitpunkts auf die Sprünge zu helfen?«
    »Nun, das mag so zwischen dreiundzwanzig und null Uhr dreißig gewesen sein«, erklärt Kurzweil und kommt wieder hoch, »da hat’s ja hier mächtig gebrannt. Todesursache vermutlich Ersticken, die Lage der Leiche lässt darauf schließen. Genaueres kann ich aber erst nach eingehender Untersuchung sagen.« Das letzte Wort klingt wie »soochen«.
    Ich halte mich abseits und sehe den Rechtsmedizinern zu. Mir liegt eine Frage auf der Zunge, ich wage es aber nicht, sie zu stellen, weil ich mich vor der Antwort fürchte. Schließlich stellt Hünerbein sie für mich.
    »Können Sie uns schon sagen, ob die Leiche männlich oder weiblich ist?«
    »Weiblich«, erklärt Graber nach kurzem Blick in den Sarg. »Das wenigstens ist klar. Die Leiche ist weiblich.«
    Ich spüre, wie mir die Knie wegsacken. Dass ich nicht zusammenbreche, verdanke ich nur Hünerbein, der mich fürsorglich auffängt und stützt.
    »Männlich dagegen ist nur der Tote«, setzt Graber dozierend fort, »obgleich es von ihm auch eine weibliche Form gibt.« Er grinst uns an. »Die Tote.«
    Ich brauche einen Moment, bevor ich begreife, dass Graber wieder eines seiner unsäglichen Bonmots von sich gegeben hat, und sehe ihn wütend an.
    Kurzweil dagegen wiehert begeistert los. »Recht haben Sie, Professor! Der war gut, ja, der war ziemlich gut!«
    »Also.« Hünerbein stellt mich wieder auf meine eigenen Füße. »Mann oder Frau?«
    »Das können wir nicht feststellen«, erklärt Kurzweil wieder ruhiger, »noch nicht jedenfalls. Die Leiche ist in einem bedauerlichen Zustand.« Er kommt aus dem Wagen und zieht sich die Gummihandschuhe aus. »Ich schlage vor, wir lassen sie abtransportieren.«
    »Gern«, freut sich Graber. »Zu mir oder zu Ihnen, Doktor?«
    »Mein Institut haben Sie ja schon gesehen«, lächelt Kurzweil, »jetzt sind Sie dran.«
    »Ich werde Ihnen nichts vorenthalten«, versichert Graber und schlägt die Heckklappen des Leichenwagens zu, bevor er den Fahrer durch lautes Klopfen an die Seitenscheibe weckt. »Hallo, es geht weiter! Zentrales Leichenschauhaus Invalidenstraße – Abfahrt!«
    Der Leichenwagen startet und setzt sich grummelnd in Bewegung.
    »Meine Herren!« Graber nickt uns zu. »Es war mir wie immer eine Ehre.«
    »Gleichfalls«, erwidert Hünerbein.
    »Morgen früh haben wir mehr für Sie«, verspricht der kleine Kurzweil, schnappt sich Schirm und Arztköfferchen und läuft zurück zu Grabers schwarzem Saab.
    »Alsdann, bis morgen.« Auch der Totengräber wendet sich ab und überholt in wenigen Schritten seinen Ostberliner Kollegen, um ihm zuvorkommend die Beifahrertür aufzuhalten.
    »Komisches Volk, diese Pathologen«, knurrt Hünerbein leise.
    Ich fühle mich immer noch erbärmlich.
    »Machen wir Feierabend«, schlägt Hünerbein vor, »komm, ich bring dich nach Hause.
    6    DIE BEIDEN MÄNNER am Fenstertisch in »Rosies Broilerstübchen« an der Schliemann-, Ecke Raumerstraße hatten einen perfekten

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