Tortenschlacht
bin ein Spaltpilz!«
»Dann schlag ihnen gemeinsame Grundstücksverträge vor.« Meyer deutete auf die besetzten Häuser. »Für jedes Objekt einen. Auch für die Ruine, klar?«
»Was sollen die denn mit der Ruine anfangen?« Bentzsch starrte durchs Fenster über den Platz auf Punks und bunte Häuser, als müsse er in feindliches Kampfgebiet. »Außerdem brauch ich dann immer noch einen Verantwortlichen, der unterzeichnet. Ich hab versucht, denen das im Plenum zu erklären, aber die haben für solche Dinge überhaupt kein Verständnis.« Er hob hilflos die Hände. »Versteh mal, Siggi, das sind Autonome, die ticken einfach anders!«
»Rudi!« Meyer packte sein Gegenüber am Arm und sah ihn eindringlich an. »Hier steht einiges auf dem Spiel. Und es hängt von dir ab, klar? Du weißt, dass ich für meine Leute immer gesorgt habe. Keiner von unserer Truppe ist bislang irgendwie in Schwierigkeiten gekommen, richtig?«
Bentzsch nickte erschrocken. »Schon klar, aber …«
»Kein Aber! Das habt ihr allein mir zu verdanken. Wir sind immer noch da. Es ist schwierig geworden, und die politischen Vorrausetzungen haben sich dramatisch geändert, aber wir sind immer darauf vorbereitet gewesen. Der Kampf geht weiter. Also Arsch zusammenkneifen und durch!« Meyer ließ ihn wieder los. »Hast du mich verstanden?«
»Klar, Genosse.« Bentzsch seufzte matt. »Und ich bin dir ja auch dankbar, aber …«
»Mensch, Rudi!« Meyer orderte noch zwei Schnäpse. »Wir sind fett geworden in unserem Ministerium, verkörperten die Staatsmacht und haben den Kalten Krieg verloren. Aber wir sind noch lange nicht am Ende. Jetzt agieren wir aus der Dunkelheit. Und wenn du mich fragst, sollten wir das als durchaus spannende Herausforderung sehen.« Meyer sah seinen Rudi prüfend an und setzte mit Nachdruck hinzu. »Die Besetzungen müssen grundbuchtauglich gemacht werden. Wir brauchen die Verträge so schnell wie möglich! Wir haben schon viel zu viel Zeit verloren.«
»Was ist mit den Stadträten? Selbst wenn die Hausbesetzer endlich mitmachen würden – spätestens der MagiSenat stellt sich quer.«
»Die entsprechenden Stadträte habe ich schon weichgeklopft.« Meyer schob ihm einen Schnaps rüber. »Die wollen die nächsten Wahlen gewinnen und brauchen Ruhe im Bezirk. Das sind Romantiker wie die Besetzer auch. Im Prinzip musst du bloß die Punker da drüben überzeugen. Und zwar besser gestern als heute! Mensch, die träumen doch von ihrer autonomen Republik, Rudi! Mach ihnen klar, dass dieser Traum mit unserer Hilfe wahr wird. Das kann doch nicht so schwer sein.« Er trank seinen Schnaps aus und erhob sich. »Wir müssen das bis Mittwoch über die Bühne kriegen. Ich zähl auf dich, Rudi.«
»Das weiß ich doch.« Rudi straffte sich. »Ich will dich auch nicht enttäuschen, Siggi.«
»Das wirst du nicht, Genosse.« Meyer gab ihm die Hand. »Du warst immer einer meiner besten Leute.«
Beide schüttelten sich fest die Hände und sahen sich dabei entschlossen in die Augen. Dann wandte sich Siegbert Meyer, ehemaliger Hauptmann des Ministeriums für Staatssicherheit, ab und fuhr in einer in der Nähe parkenden Jaguar-Limousine davon.
Wenig später lief Rüdiger Bentzsch etwas unbeholfen und mit einem Kasten Berliner Pilsener über den Helmholtzplatz. Der Regen durchnässte sein Jackett, Wasser lief ihm übers Gesicht, und das straff gescheitelte Haar klebte am Kopf. Er fühlte sich unbehaglich, aber er hatte einen klaren Auftrag. Und den musste er erfüllen. – Heute!
Zaghaft klopfte er an das verrammelte Tor des Hauses Nummer fünfzehn. Es war über und über mit Graffiti bemalt, eine riesige Fratze starrte ihn an und sagte in einer Sprechblase: »Nur mit ‘ner vollen Kiste Bier – bist du als Gast willkommen hier!«
Ein verschlafenes Mädchen mit regenbogenbunten Rastazöpfen öffnete und blinzelte ihn skeptisch an. »Du schon wieder?«
»Ja«, nickte Bentzsch stolz, »aber heute hab ich einen Kasten Bier dabei!«
»Gab’s keen Jever?« Das Mädchen ließ ihn ein. »Oder Beck’s? – Mann, ey, schleppt der Spießer so ‘n Prollbier an!«
»Tut mir leid, aber …« Bentzsch strich sich mit einem Taschentuch Regen und Schweiß von Stirn. »… bei Rosie gab’s nichts anderes.«
»Schon okay, Alter!« Das Mädchen rief ins Treppenhaus hoch. »Heavy, komm mal! Der Spießer von der Kaputte-Wohnungsverwaltung ist wieder da!«
Bentzsch sah ängstlich auf eine Horde Punks, die eben aus dem Hof gestürzt kam und sich johlend
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