Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt
kostbarsten, lange Jahre im Keller gehegten Flaschen zu entkorken. Nach jeder Mahlzeit brachte man ihm eine astronomische Rechnung, die er nicht nur kommentarlos bezahlte, sondern auch noch mit einem fürstlichen Trinkgeld ergänzte. Und da er meine Gesellschaft offensichtlich schätzte, bestand er darauf, mir von jedem Wein, für den ich ein Interesse geäußert hatte, eine Flasche zu kaufen. Natürlich versuchte ich höflich abzulehnen, aber er brachte mich mit einer Handbewegung zum Schweigen, sodass ich jeden Abend mit etlichen neuen Flaschen für meine Sammlung nach Hause kam.
Als er eines Tages in Montalcino eine Flasche erstand, die mehrere Millionen Lire kostete, verschlug es mir endgültig die Sprache. Am Abend im Hotel bat er mich, die Flasche schon in sein Zimmer hinaufzubringen, während er unten noch ein paar private Dinge zu erledigen habe. Ruhe vortäuschend, sagte ich: »Klar, T.T., kein Problem.« Aber beim Treppensteigen zitterten meine Knie mit jedem Schritt stärker. Der letzte Treppenabsatz war am schlimmsten und schien kein Ende zunehmen. Die kostbare Flasche umklammernd, versuchte ich das Bild aus meinem Kopf zu verbannen, auf dem ich über einem Scherbenhaufen weinte, während der kostbare Flascheninhalt im Perserteppich versickerte. Glücklicherweise verlief alles gut, und jetzt ruht die Flasche zusammen mit den übrigen fünfundfünfzigtausend im Privatkeller unter T.T.s Villa in Florida.
Inzwischen waren wir dicke Freunde geworden und verstanden uns ausgezeichnet. Deshalb gestand ich ihm an unserem letzten gemeinsamen Tag, dass ich nach all den Faxanfragen vom Januar eine ganz andere Person erwartet hatte, pedantischer und vor allem weniger freundlich und umgänglich. T.T. brach in ein Lachen aus, welches das Auto in ein leichtes Schaukeln versetzte, und meinte: »Bei all den Dingen, die ich in Florida erledigen muss, habe ich keine Zeit, meine Ferien selbst zu organisieren.« So stellte sich heraus, dass die Faxkorrespondenz sich nicht mit ihm, sondern mit seiner Sekretärin abgespielt hatte, seiner sehr genauen Sekretärin.
Es war ein wunderschöner Frühlingstag, und so beschlossen wir, meinem Freund Paolo einen Besuch abzustatten. Paolo besitzt ein kleines Gut in den Hügeln des Chianti-Classico-Gebietes. Mein winziger Geländewagen schnaufte die steile, steinige, von Olivenbäumen gesäumte Straße hinauf. Oben angekommen, parkten wir vor Paolos schönem steinernem Bauernhaus aus dem 15. Jahrhundert. Drei streitlustige Gänse rannten zischend auf uns zu, aber als sie sahen, dass sie nicht den geringsten Eindruck auf uns machten, wichen sie zurück. Der Keller war nicht verschlossen, und so traten wir durch die enge, dunkle, von einer riesigen Weinrebe mit den ersten, schlanken Trieben überschattete Öffnung ein.
Paolo war nirgends zu sehen, doch plötzlich hörte ich, wie jemand meinen Namen rief. Ich konnte nicht ausmachen, woher die Stimme kam, bis ich eine Hand entdeckte, die aus einer kleinen Öffnung in einem Achtzehn-Hektarliter-Eichenfass winkte. »Hier bin ich!«, rief Paolo. T.T. schien erstaunt, dass ein Mensch in eine derart kleine Lücke passte, und suchte in seinen Taschen hastig nach dem Fotoapparat, um den ungewöhnlichen Anblick festzuhalten.
Es ist tatsächlich verblüffend, dass ein ausgewachsener Mann durch eine so enge Öffnung schlüpfen kann, aber Paolo meinte achselzuckend: »Wo der Kopf durchkommt, kann auch der Rest des Körpers durch.« Den riesigen T.T. betrachtend, dachte ich, dass diese Theorie wohl nicht für alle zutraf.
Als sich Paolo aus dem Fass gewunden hatte, zog er seinen Kittel aus und setzte sich die Brille auf. So verwandelte sich der Arbeiter in kürzester Zeit zum Besitzer. Er griff nach einer alten Strohflasche und füllte sie mit Wein. »Das,« sagte er, »ist eine erste Probe von meinem nächsten Chianti Riserva. Und das,« fügte er hinzu, während er auf dem Kaminsims einen kleinen Käselaib anschnitt, »ist der am besten gelagerte Schafskäse hier im Chianti-Gebiet. Das Brot dazu hat meine Frau Gianna heute im alten Holzofen gebacken. Und jetzt hole ich noch ein paar dicke Bohnen aus meinem Gemüsegarten.« So saßen wir unter dem alten Maulbeerbaum mit einem Bissen Käse, ein paar Bohnenkernen und einem Schluck Chianti Riserva und redeten über das einzige Thema, das T.T. interessierte: den Wein.
»Sehen Sie,« sagte Paolo in seinem blumigen Englisch, das noch viel unverständlicher war, weil er mit vollem Mund sprach: »Mein
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