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Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt

Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt

Titel: Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dario Castagno
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Italien zwar allgemein beliebt, häufig aber auch Gegenstand von Frotzeleien sind, weil die meisten von ihnen aus einfachen Familien aus dem Süden stammen.
    Als der junge Polizeibeamte mir meine Dokumente zurückgab, fragte er höflich, was ich auf dem Rücksitz transportiere.
    »Ein halbes Schwein«, antwortete ich.
    »Aha!« sagte er, und nach einer Pause: »Ist es tot oder lebendig?«
    Ich unterdrückte ein Lachen, das meinen angeheiterten Zustand verraten hätte, und sagte in ernstem Tonfall: »Tot.«
    »In Ordnung. Gute Fahrt. Buonasera. «
    Sobald wir wieder fuhren, übersetzte ich T.T. die Fragen des carabiniere, und er brach in schallendes Gelächter aus – soeben hatte er ein Beispiel aus erster Hand erhalten, weshalb die Einheimischen so oft Witze über ihre Polizei machen.
    Trotz der kurvenreichen Straße kehrten wir wohlbehalten ins Hotel zurück. Ich bin mit T.T. in Kontakt geblieben. Nach seinem ersten Besuch kam er fast jedes Jahr wieder, und wir reisten von Weinberg zu Weinberg und tranken Unmengen Wein. Zwischen zwei Besuchen rief er mich oft an und bat mich um Auskunft über neue Jahrgänge. Unlängst jedoch rief er mich an und teilte mir mit, dass man bei ihm eine schwere Zuckerkrankheit festgestellt habe und dass er deshalb nicht mehr trinken dürfe. Etwas Schlimmeres hätte ihm kaum geschehen können.

Foscos Haus
     
    Obwohl ich ein rebellischer Teenager war (mit gefärbten langen Haaren, Ohrringen, aus der Hose hängendem Hemd und klobigen Fallschirmspringerstiefeln), freundete ich mich mit ein paar alten Männern aus dem Dorf an. Vielleicht war ihnen mein provokantes Auftreten sogar sympathisch. Einer dieser Männer hieß Fosco.
    Fosco Lolini war eine dieser echten Persönlichkeiten, die man nie mehr vergisst, wenn man ihr einmal begegnet ist. Ich lernte ihn eines Abends in seiner kleinen Imbissbude kennen, wo er an schönen Tagen im Schatten der Schirmpinien Brote mit Schinken und Salami aus der Gegend und toskanischen Wein verkaufte und, wenn er in guter Laune war, ganze Mahlzeiten servierte. Er war klein, ein richtig dunkler Etruskertyp. Allerdings war sein dichtes, früher wahrscheinlich pechschwarzes Haar jetzt schlohweiß.
    Ich ging oft in Foscos pinetina – Pinienwäldchen – essen. Dabei hoffte ich selbstsüchtig, der einzige Gast zu sein, weil Fosco sich dann zu mir setzen und mir Geschichten über mein geliebtes Chianti-Gebiet erzählen würde. Ich genoss es, wenn er sich mir gegenübersetzte, den Kopf leicht neigte und mich über die Ränder seiner Lesebrille hinweg anschaute. Er war ganz anders als die meisten alten chiantigiani, die ich kannte. Er besaß einen wachen, offenen Geist und hatte mit der veränderten Realität unserer Zeit Schritt gehalten. Aus diesem Grund war er eine Art Verbindungsglied zwischen der Generation der alten Bauern und ihren heutigen Nachkommen. Seine Schulbildung war beschränkt, aber er hatte sich vieles selbst angeeignet und besaß ein ausgezeichnetes Gedächtnis. Er konnte ganze Verse aus Dantes Göttlicher Komödie auswendig deklamieren und vieles weitere aus der klassischen italienischen Literatur, und er war ein Verehrer des heiligen Augustinus. Ich kann Fosco nie genug dankbar sein für alles, was er mir über das Leben der Bauern weitergegeben hat.
    Eines Tages lud er mich ein, mit ihm das Bauernhaus zu besichtigen, in dem er als Junge gelebt hatte. Ich nahm die Einladung freudig an. Wir fuhren in seinem winzigen, dreißig Jahre alten Fiat 500, der immer so sauber glänzte, als wäre er funkelnagelneu. Nachdem wir die Hauptstraße verlassen hatten, schwenkte er in eine enge, schlammige Naturstraße ein, die so voller Löcher war, dass sogar ein moderner Geländewagen Schwierigkeiten gehabt hätte. Nach zwanzig Minuten Holperfahrt gelangten wir zu einer Lichtung, die von leuchtend gelben Ginsterbüschen umgeben war. Mittendrin stand ein atemberaubendes Steinhaus. Es war sehr groß, hatte zwei Stockwerke und in der Mitte den typischen Taubenturm.
    Wir parkten das Auto im verlassenen Hühnerhof und stiegen die gefährlich verwitterten Steinstufen zum Haupteingang hinauf, der überdacht war von einem hübschen Vorbau mit zwei großen Bogenfenstern. Mit einem leichten Stoß öffnete sich die knarrende alte Kastanienholztür. Wir traten ein.
    Wir standen im Eingangsraum, der von einem riesigen offenen Kamin beherrscht war, groß genug, dass darin für die eiskalten Winterabende zwei Bänke Platz hatten, auf welchen die Bauern sich zum Aufwärmen

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