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Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt

Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt

Titel: Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dario Castagno
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Verkehrsmittel erreicht werden konnte. Ich besprach das Programm, das ich für sie ausgearbeitet hatte. Am ersten Tag das Chianti-Gebiet, am zweiten die Landschaft der Crete in der Nähe von Siena, am dritten Montalcino und so weiter bis zum sechsten Tag, an dem ich vorgesehen hatte, sie zum Einkaufen nach Florenz zu begleiten. Sie schauten mich mit weit aufgerissenen Augen an, als hätte schon die Aufzählung der Programmpunkte sie erschöpft. »Nein, nein«, protestierte Sjaak. »Wir sind hier, um auszuspannen. Gehen wir es also ganz in Ruhe an. Und bitte weder Städte noch Einkaufen – davon bekommen wir genug in Holland!«
    Und so nahm ich sie am nächsten Morgen mit auf meine gemütliche Standardfahrt durch das Chianti-Gebiet. Wir besuchten das Weingut, die Etruskergräber, den kleinen Weinkeller, hielten in einem Dörfchen und gingen dann essen.
    Nach den crostini – geröstete Brotscheiben mit würzigem Aufstrich – als Vorspeise, köstlich zubereitet von Gina und Carla, ersuchten mich meine Gäste, die folgenden Gänge langsamer nachkommen zu lassen, weil sie nicht die geringste Eile hätten und nicht beabsichtigten, sich so bald wieder vom Tisch zu erheben. Ich begann mich zu fragen, ob sie sich überhaupt für die Archäologie und Geschichte des Chianti-Gebietes interessierten, oder ob sie nur über die Küche und die Weine der Gegend etwas erfahren wollten. Angesichts der riesigen Mengen, die vertilgt wurden, bestand schon bald kein Zweifel mehr. Sie aßen und tranken mehr als jeder andere meiner Kunden.
    Nach der guten Mahlzeit und dem guten Wein ruhten wir uns zufrieden aus und lernten uns etwas besser kennen. Ich war deshalb nicht sonderlich verwundert, als sie mich baten, unterwegs bei einer Bar anzuhalten. Hier tranken sie so viel Grappa, dass davon eine ganze Kompanie Alpenjäger ins Wanken geraten wäre. Sie aber wiesen nicht das geringste Anzeichen von Betrunkenheit auf. Verblüfft brachte ich sie in ihre Unterkunft zurück. Ich war sicher, dass sie unter dem Einfluss ihrer heldenhaften Trinkerei in ihren Zimmern zusammenbrechen würden.
    Kaum hatte ich am folgenden Tag meinen Bus geparkt, als der Hoteldirektor auf mich zukam. Er fuchtelte aufgeregt mit den Armen und begrüßte mich mit den folgenden Worten: »Dario, Ihre holländischen Gäste haben gestern meinen ganzen Weinkeller leer getrunken. So etwas habe ich noch nie erlebt!«
    Ich bezweifelte, dass ich sie unter diesen Umständen heute Morgen überhaupt zu sehen bekäme. Wenn ja, dann waren sie bestimmt unsicher auf den Beinen und hatten einen Riesenkater. Stattdessen erschienen sie pünktlich, sahen taufrisch aus und waren offensichtlich ausgeruht und in bester Laune. »Dario«, wollten alle gleichzeitig wissen, »wo gehen wir heute essen?«
    Von da an wusste ich genau, was sie wollten. Alles, was ich tun musste, war, für jeden Tag eine kleine Beschäftigung für den Vormittag zu finden. Dann folgte eine Pause in einer Bar, wo wir bis zur Essenszeit ein paar Gläser Bier trinken konnten. Anschließend ging es in eines der besten Restaurants in der Gegend. Mit den Holländern war es ganz normal, sich als die ersten Gäste an den Tisch zu setzen und als letzte wieder aufzustehen. Ein normales Mittagessen dauerte fünf Stunden.
    Nie waren sie anders als vergnügt bei Tisch. Alle aßen, schwatzten und lachten gleichzeitig. Sie kosteten von allem, ohne einen Blick auf den Preis zu werfen. Essensrechnungen von über einer Million Lire waren nicht ungewöhnlich. Sie konnten bis zu vierzehn Flaschen Wein leeren, ohne auch nur leicht angetrunken zu wirken. Diese Essen waren für mich eine großartige Gelegenheit, viele ungewöhnliche und teure Weine zu trinken, die ich mir nur selten oder gar nicht leisten konnte. Ich ließ mich also gehen und stopfte mich voll mit Speise und Trank.
    Während der restlichen Woche regnete es stark. Ich hatte den Eindruck, dass das »Leben auf dem Bauernhof« sie immer weniger interessierte. Als ihre Ferien vorbei waren, dachte ich deshalb, sie würden nie mehr zurückkommen. Aber 1995 meldeten sie sich wieder und fragten, ob ich eine erschwingliche Unterkunft in zentraler Lage für sie finden könnte. Außerdem wollten sie, dass ich einen größeren Bus miete, damit alle Platz hätten, denn dieses Mal wollten sie zu sechst kommen.
    So reisten sie Anfang Oktober mit René und Bianca an. Ich holte sie auf dem kleinen Flugplatz in Florenz ab, wühlte mich mit ihnen durch das urbane Verkehrschaos und fuhr dann über

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