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Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt

Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt

Titel: Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dario Castagno
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Bibel geworden. Sie war entschlossen, uns zu unserem nächsten Höhepunkt zu führen, von dem sie in unserer Abwesenheit gelesen hatte.
    »In der Nähe von Montalcino«, las sie laut vor, »liegt eine romantische Kirche in einem Tal mit Olivenbäumen und Zypressen, wo im Frühjahr hunderte von bunten Feldblumen blühen. Die Kirche ist zum Teil aus Granit und zum Teil aus Alabaster aus den lokalen Steinbrüchen gebaut worden und gehört zu den wichtigsten Beispielen romanischer Architektur im Mittelmeerraum. Der Legende nach soll sie von Feen in einer einzigen Nacht erbaut worden sein, aber wie wir wissen, wurde sie errichtet, als die Franken in Italien herrschten. Heute wird sie von einer kleinen Gruppe junger französischer Mönche bewohnt, deren schönen Gesang Sie hören können, wenn Sie das Glück haben, zur Gebetszeit anwesend zu sein.« Sie schaute strahlend auf. »Die Kirche heißt Sant’ Antimo. Wissen Sie, wo sie ist? Ich möchte sie sehen!«
    Ich machte eine Pause, um den Augenblick zu genießen. Dann sagte ich mit größter Genugtuung, die ich so gut wie möglich zu verstecken suchte, dass wir von genau da herkämen.
    Ihr Gesicht wurde langsam rot. Dann versuchte sie, die Sache unter den Tisch zu kehren, indem sie ein paar absurde Bemerkungen machte, dass sie auch so ihren Entschluss nicht bereue. Aber es war offensichtlich, dass sie enttäuscht und dass ihr die ganze Sache peinlich war. Ich lieferte die Gruppe im dritten gebuchten Hotel ab und holte wie am Vortag das Gepäck. Den ganzen Berg zu befördern, war auch das zweite Mal nicht leichter. Es war schon ziemlich spät, als ich alles ausgeladen hatte. Ich verabschiedete mich von den beiden Paaren, glücklich, dass meine Zeit mit ihnen vorbei war. Sie bedankten sich sehr freundlich dafür, dass ich einen Fahrer für den nächsten Tag für sie gebucht hatte, und entschuldigten sich sogar für die vielen Umstände, die sie mir wegen ihrer Unentschlossenheit bereitet hatten.
    Als ich gehen wollte, nahm Mirjanas Mann mich zur Seite und gab mir ein sehr großzügiges Trinkgeld. Dabei sagte er: »Meine Frau ist so hübsch und freundlich, finden Sie nicht auch?« Ich war verblüfft. In den zwei Tagen, die ich mit ihnen verbracht hatte, hatte ich eine ganze Reihe von beschreibenden Adjektiven für diese Dame gefunden, aber diese zwei gehörten nicht dazu. Trotzdem antwortete ich: »Wirklich sehr hübsch und freundlich!« Er lächelte zufrieden. Ich glaube, er musste es von mir hören, damit er selbst daran glauben konnte.
    Auf dem Heimweg hielt ich unterwegs an, um zur Feier des Tages etwas zu trinken. Bei einem Glas Prosecco schwor ich mir: Wenn mir wieder einer sagt, mein Beruf sei unterhaltsam und ich sei ein Glückspilz, weil ich so viele interessante Leute kennen lerne, bringe ich ihn um.
    Am nächsten Tag lief ich ganz zufällig dem Fahrer, den ich gebucht hatte, um die Gruppe nach Positano zu bringen, über den Weg. Verwundert fragte ich: »Was machst du in Siena? Müsstest du nicht mit meinen Kunden unterwegs sein?« Er sagte, er sei am Morgen zu ihrem Hotel gefahren, um sie abzuholen, aber da waren sie schon weg – mit einem anderen Fahrer, den das Hotel organisiert hatte.
    Ich merkte, dass er etwas verschnupft war und von mir eine Entschuldigung erwartete. Ich verabschiedete mich von ihm ohne eine solche. Eine Entschuldigung wofür? Ohne dass er es wusste, war heute sein Glückstag!

Der erste Ausflug
     
    Nach drei Monaten Totenstille geschah plötzlich ein Wunder. Mitte Mai rief ein Engländer aus einem Hotel in Florenz an. Er stellte sich mit »Vesey« vor und sagte: »Ich habe eben Ihre Broschüre gesehen und möchte wissen, ob es möglich wäre, für meine Frau und mich für morgen etwas zu organisieren. Ich bedaure, dass es schon etwas spät ist, und verstehe, wenn es nicht mehr klappt.« Ich zitterte vor Aufregung und musste den Hörer mit beiden Händen ans Ohr halten, während ich in einem betont gepflegten Oberschichts-Englisch antwortete: »Aber selbstverständlich, mein Herr!«
    Die organisatorischen Fragen waren rasch geregelt. Ich würde sie am nächsten Morgen um neun Uhr in ihrem Hotel abholen. Als ich den Hörer auflegte, war ich ganz aus dem Häuschen, aber bald geriet ich in Panik. Du lieber Himmel, dachte ich, schaffe ich das? Interessieren sie die Orte, die ich ihnen zeigen will? Werde ich imstande sein, ihre Fragen zu beantworten? Was, wenn sie sich langweilen?
    Um einen guten Eindruck zu machen, rannte ich auf den Hof, um

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