Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt
vorfuhr, warteten die beiden Ehepaare zu meinem Erstaunen bereits auf mich. Noch erstaunter war ich allerdings, als ich sah, dass sie, obwohl sie genug Gepäck hatten, um damit eine ganze Elton-John-Konzerttournee auszustaffieren, alle genau gleich gekleidet waren wie am Vortag. Sogar Mirjana war in ihr warmes Wollkostüm gehüllt.
Unser Tagesprogramm sah die Fahrt zum Kloster von Monteoliveto Maggiore vor, wo wir die wunderschönen mittelalterlichen Fresken, gemalt von Luca Signorelli und Antonio Bazzi, besser bekannt unter dem Namen Sodoma, bewundern wollten. Nach einer Panoramafahrt durch die Mondlandschaft der Crete wollten wir in Montalcino eine Kellerei des weltbekannten Brunello-Weins besuchen und dann zur Krönung des Tages eine Stunde in Sant’ Antimo verbringen, in dieser prächtigen romanischen Abtei, die unter Karl dem Großen im Jahr 800 erbaut worden war. Sie liegt mitten in der toskanischen Landschaft versteckt. Dort wollten wir den Mönchen zuhören, wie sie mit ihren himmlischen Stimmen gregorianische Gesänge anstimmten.
Als ich meinen Kunden das Programm vorstellte, meinte Mirjana, sie habe nicht die Absicht, sich gregorianische Gesänge anzuhören. Sie waren ihr zu »kommerziell«. Zu Hause, in den Staaten, könne sie das jederzeit tun – klar, denn in der Kirche an der Ecke ihrer Straße wurden sie jeden Abend »aufgelegt«. Nach vielen Jahren wurde mein Programm zum ersten Mal nicht mit Komplimenten und Begeisterung begrüßt. Ich wurde nach Alternativen zu Sant’ Antimo gefragt. An diesem Punkt wurden die übrigen Passagiere etwas verlegen und versuchten, mir zur Hilfe zu kommen, aber weil Mirjana nicht nachgab, musste ein Kompromiss gefunden werden. Sie wollten nach Sant’ Antimo fahren und den Gesang hören. Mirjana würden wir in Montalcino lasen, wo sie in den von ihrer Zeitschrift empfohlenen Läden stöbern konnte. Wir würden sie nach dem Gesang wieder abholen. Ich war mit dem Vorschlag einverstanden, wobei ich ganz genau wusste, dass heute ein Feiertag war und die Läden geschlossen sein würden.
Während unserer hervorragenden Mittagsmahlzeit im Restaurant Giovanni bemühte sich der Besitzer persönlich um uns. Er ist eine Mischung von Luciano Pavarotti und Heinrich VIII., und er unterhielt uns, obwohl das Restaurant voll besetzt war, mit seinen wohlbekannten Scherzen und Späßchen. Bei Giovanni isst man typisch toskanisch: crostini, Salami und bruschetta zur Vorspeise. Für den ersten Gang hat man die Wahl zwischen pici, Nudeln, minestrone und pasta e ceci. Als Hauptgang kann man Fleisch vom Grill, in Brunello gekochtes Kaninchen oder Perlhuhn auswählen. Für die Nachspeise gibt es eine lange Liste hausgemachter Kuchen. Jedes Gericht wird mit in der Umgebung angebauten Zutaten zubereitet. Auch das Fleisch stammt von Tieren aus der Gegend.
Aus einem Grund, den ich nie erfuhr, begannen die beiden Männer wieder miteinander zu streiten, noch verbissener als zuvor, und dieses Mal mischten sich auch die Frauen ein und keiften sich gegenseitig über den Tisch hinweg an. Die friedliche Stimmung im Restaurant war dahin. Entmutigt und peinlichst berührt, versuchte ich, die Situation so gut wie möglich zu ignorieren. Zumindest wollte ich von dem hervorragenden Riserva, Jahrgang 1990, den wir bestellt hatten, ein weiteres Glas genießen. Giovanni, der meine ungemütliche Lage bemerkt hatte, bot mir sogar ein Gläschen Grappa an, von seinem allerbesten, den er nur seinen liebsten Gästen kredenzt.
Am Ende des Essens hatten alle wieder einigermaßen Frieden geschlossen. Bevor wir nach Sant’ Antimo weiterfuhren, ließen wir Mirjana in Montalcino aussteigen. Ich weiß nicht, ob es die Wirkung von Wein und Grappa war oder die Abwesenheit von Mirjana oder beides zusammen, aber an diesem Tag klang der Gesang noch harmonischer in meinen Ohren als sonst, und er gab mir meinen inneren Frieden wieder.
Wir fuhren zurück nach Montalcino zu Mirjana. Ungeachtet der großen Wärme trug sie noch immer die Jacke ihres Wollkostüms, die jetzt unter den Armen zwei grässliche Schweißflecken hatte. Offensichtlich war die Furcht, die Einheit ihres Ensembles zu zerstören, Anlass genug, jeder Temperatur zu trotzen.
Sie war wütend, weil die wenigen Läden, die sie hatte finden können, allesamt geschlossen waren. Aber weil sie nicht auf der unangenehmen Tatsache, eine falsche Wahl getroffen zu haben, herumreiten wollte, zog sie rasch ihre Zeitschrift hervor. Inzwischen war diese für sie eine Art
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