Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt
den Wagen zu waschen – vielleicht ein bisschen zu gründlich. Als ich damit fertig war, roch er so antiseptisch wie ein Krankenwagen. Dann ging ich ins Haus zurück und begann, die Geschichte des Chianti zu büffeln, als hätte ich am nächsten Tag eine wichtige Prüfung zu bestehen.
Ich war gespannt wie eine Gitarrensaite. Ich stellte den Wecker auf vier Uhr dreißig, weil ich Angst hatte, zu verschlafen und zu spät bei meinen ersten Kunden einzutreffen. So oder so schlief ich kaum und stand auf, noch bevor der Wecker klingelte. Als ich das Haus verließ, war es noch immer dunkel, und ich kam ganze drei Stunden zu früh nach Florenz. Ich parkte vor dem Hotel und blätterte nochmals nervös durch meine Notizen. Dabei rauchte ich aufgeregt eine Zigarette nach der anderen.
Schließlich war die Schicksalsstunde da. Mein Herz schlug bis zum Hals, als ich mich beim Empfang vorstellte und sagte, ich hätte eine Verabredung mit den Veseys. Punkt neun Uhr erschienen meine ersten beiden Kunden und vertrauten sich meiner Obhut an. Mrs. Vesey trug ein langes Kleid mit Blumenmuster und einen Hut im Stil der Königinmutter. Ihre Handtasche war so klein, dass nicht einmal ein Päckchen Papiertaschentücher darin Platz hatte. Sie war um die vierzig Jahre alt. Ihr Mann dagegen war viel älter, um die siebzig und sehr gepflegt in seinem khakifarbenen Safarianzug. Sie kamen mir sofort wie ein typisches, angenehmes englisches Ehepaar vor, wie man es in Großbritannien bei einer Gartenparty anzutreffen erwartet. Wir begrüßten uns und verließen das Hotel. Einen Augenblick lang betrachteten sie verwundert mein merkwürdig eiförmiges Fahrzeug und stiegen schließlich ein, beide hinten. Später versuchte ich, meine Kunden davon abzubringen, weil es mir zu sehr das Gefühl gab, ein Chauffeur zu sein und nicht der Reisebegleiter.
Als wir vom Hotel wegfuhren, erzählte ich ihnen ein bisschen von meiner Kindheit in London. Sie hörten interessiert zu, und nun stand einer langen Fahrt nichts mehr im Wege.
Es war ein schöner Morgen mitten im Mai. Der Himmel war tiefblau, die Sonne stand hoch über dem Horizont, und die Luft war traumhaft klar und hätte jedes Touristenherz erfreut. Ich hätte mir nichts Besseres wünschen können.
Die Straßen allerdings waren ein anderes Kapitel. Aus Florenz hinauszufahren ist oft problematisch wegen des dichten Verkehrs. Als Italiener kümmere ich mich normalerweise nicht groß um die Verkehrsregeln. An diesem Tag aber saß ich aufrecht auf meinem Sitz, hielt das Lenkrad mit beiden Händen umklammert und befolgte jedes einzelne Verkehrszeichen. Ich wollte meinen ersten Kunden keine Angst einjagen.
Ich erzählte den Veseys, dass ich wegen einer alten Rivalität, die auf das Mittelalter zurückgeht, nicht sehr gerne nach Florenz käme, und dass wir Sienesen die Florentiner noch heute, seit unserem heldenhaften Sieg in der Schlacht von Monteaporti am 4. September 1260, verspotteten. Allein die Erwähnung dieses Datums lässt einen Florentiner, ob jung oder alt, unbehaglich zusammenfahren. Als wir über die Arnobrücke fuhren, erklärte ich außerdem, dass der Fluss 1966 über die Ufer getreten sei und die Stadt fast vollständig überflutet habe. Wir Sienesen jubelten daher dem Fluss beim Darüberfahren immer zu und wünschten ihm fürs nächste Mal mehr Glück. Als ich die betroffenen Gesichter der Veseys sah, fügte ich rasch hinzu, das sei natürlich scherzhaft gemeint – selbstverständlich wünsche niemand, dass sich ein derartiges Unglück wiederhole, ganz besonders, wenn man bedenkt, wie viele Kunstwerke damals beschädigt wurden. Die Veseys waren durch diesen Nachsatz sichtlich beruhigt.
Als wir Florenz hinter uns hatten, fuhren wir auf der Staatsstraße 222 weiter, am amerikanischen Soldatenfriedhof aus dem Zweiten Weltkrieg und an den Töpfereien in jener Gegend vorbei. Endlich waren wir im Chianti-Gebiet. Wir ließen Greve hinter uns, die Geburtsstadt von Amerigo Vespucci und Giovanni da Verrazzano, fuhren dann die Hügel hinauf und genossen den schönen Blick auf die Villa Vignamaggio im Stil des Rinascimento, wo der Legende nach Leonardo da Vinci die Besitzerin Mona Lisa Gherardini in seiner berühmten »Gioconda« verewigt hat. In jüngerer Zeit diente die Villa als Kulisse in Kenneth Branaghs Filmfassung von Viel Lärm um nichts. Von hier aus steigt die Straße kurvenreich an, in Angst einflößenden, engen Windungen, die ich so vorsichtig wie möglich nahm. Schließlich erreichten
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