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Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt

Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt

Titel: Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dario Castagno
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betreten hatten, nass, enttäuscht und von der Fahrt erschöpft, sah ich, dass viele Züge wegen der Überschwemmungen verspätet waren und dass der nächste Zug nach Rom erst in einer guten Stunde fuhr. Ich wurde die Mawsons nicht so schnell los, wie ich gehofft hatte.
    Um die Zeit zu vertreiben, setzten wir uns und bestellten Kaffee. Zu meinem Erstaunen begannen die Mawsons, von den angenehmen Tagen zu schwärmen, die wir miteinander verbracht hatten, und mich mit Komplimenten zu überhäufen, die vollkommen ehrlich zu sein schienen, und bevor sie gingen, gaben sie mir ein sehr großzügiges Trinkgeld. Mr. Mawson sagte, er glaube, ich sei eine ehrliche, intelligente und großzügige Person (ein paar Minuten vorher hatte ich einem Zigeunermädchen, das an den Tischen bettelte, ein paar Lire zugesteckt) und dass er gerne einen Sohn wie mich gehabt hätte. All das kam für mich völlig unerwartet.
    Als sie in den Zug stiegen, winkte ich zum Abschied – und da kam endlich eine schwache Sonne hinter den Wolken hervor. Auf der Heimfahrt war der Sturm vorbei. Aber ich sah jetzt auch sehr genau, welchen Schaden er angerichtet hatte, und es wurde mir klar, wie unvernünftig es gewesen war, durch diese Sintflut zu fahren. Als ob diese Erkenntnis zusätzlich unterstrichen werden müsste, sah ich, dass eine der Brücken, über die wir heute Vormittag gefahren waren, nicht mehr stand. Ich schauderte unwillkürlich. Vielleicht hatte der Regengott, den ich am Abend vorher angerufen hatte, übereifrig gehandelt; vielleicht wollte er mich bestrafen, weil ich den Regen für Mr. Mawson herbeigewünscht hatte. Was auch immer, ich beschloss, mich nie wieder mit einer Bitte an ihn zu wenden. Wenigstens so lange nicht, bis der nächste schwierige Kunde sich zu einem kleinen Bad entschließen würde.

Fremde in einem fremden Land
     
    Eine meiner größten Sorgen am Anfang meiner neuen Tätigkeit war, ob ich es fertig bringen würde, mich intensiv mit Leuten aus fremden Ländern zu befassen, deren Geschmack, Sitten und Traditionen ich nicht kannte. Immerhin hatte ich die letzten zehn Jahre ausschließlich mit Einheimischen verbracht – mit meinen bunt zusammengewürfelten Arbeitskollegen in den Kellereien Cecchi und meinen nonkonformistischen Freunden, mit denen ich meine Fahrten ins unbekannte Chianti-Gebiet unternahm.
    Künftig würde ich dagegen nicht nur mit neuen Menschen zu tun haben, sondern mit vielen verschiedener Arten neuer Menschen. Darüber war ich beunruhigt, aber gleichzeitig war ich auch neugierig darauf. Der Entschluss, mich auf sehr kleine Gruppen zu beschränken, bedeutete darüber hinaus, dass mein Verhältnis zu diesen Leuten sehr viel enger und intensiver sein würde, als es beispielsweise bei Reiseleitern der Fall ist, die ganze Busladungen gesichtsloser Touristen hierhin und dorthin führen.
    Um der Versuchung zu widerstehen, Geschmack und Wünsche meiner Gäste zu hinterfragen, zwang ich mich zu einem strikten Grundsatz: auf meinen Ausflügen mir selber immer treu zu bleiben und mich nicht hinter irgendeiner Maske zu verstecken. Ich muss sagen, dass diese Ehrlichkeit sehr gut funktioniert. In den zehn Jahren, in denen ich bisher Leute aus aller Herren Länder und aus sämtlichen Gesellschaftsschichten begleitet habe, war das Verhältnis zu meinen Kunden – mit wenigen Ausnahmen gegenseitiger Abneigung – so gut, dass sie am Ende des Tages beinahe immer direkt in die Kategorie der Freunde eingereiht wurden.
    Das Mittagessen ist eindeutig die Gelegenheit für den direktesten Kontakt zu meinen Kunden. Es ist meistens auch der Zeitpunkt, den Zerstreuteren unter ihnen meinen richtigen Namen beizubringen. In all den Jahren haben sowohl mein Vor- als auch mein Familienname viele verschiedene interessante Abwandlungen durchlaufen. »Dario« wird in den meisten Fällen zu »Mario« – ein in den USA sehr viel geläufigerer italienischer Vorname -, manchmal auch zu »Derrio«, weil viele Amerikaner mit der Aussprache nicht zurechtkommen. Die eher klassisch Geschulten verwandeln Dario manchmal auch zu »Darius«.
    Mein Familienname »Castagno« – italienisch für Kastanienbaum – erweist sich als noch schwieriger, weil die Aussprache der beiden aneinander gereihten Konsonanten gn angelsächsische Zungen ganz einfach überfordert. Auf Italienisch wird gn als nj ausgesprochen, als »Ca-sta-njo.« Einige Leute versuchen es in Zweifelsfällen mit einer Abkürzung wie »Cas«, »Kes« oder »Stag«. Sie sind akzeptabel

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