Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt
gemeinsam verbrachten Tage ausgesprochen angenehm. Mrs. Ames jedoch arbeitete angestrengt und ersuchte mich um zahlreiche Auskünfte und viele Tipps. Sie schrieb eine unglaubliche Menge an Informationen und Beobachtungen nieder, während ihr Mann, der offensichtlich nur als ihr Begleiter mitgekommen war, auf dem Rücksitz saß und zufrieden Zigarren rauchte.
Am Ende des dritten Tages lud Mrs. Ames mich an die Hotelbar ein. Während wir einen Aperitif nahmen, sagte sie, dass sie meine Art der Arbeit schätze, und wollte wissen, ob ich einverstanden wäre, eine Reise mit dem gleichen Programm wie das zu leiten, das sie und ihr Mann sehr genossen hatten, aber nun mit zwanzig Mitreisenden. Sie organisiere diesen Ausflug für eine Miss Goldberg, und unter anderem habe sie dieser Dame versprochen, einen geeigneten Reiseleiter ausfindig zu machen.
Ich war ratlos. Falls ich den Vorschlag annahm, verstieß ich gegen meine eigene Idee vom idealen Tourismus und damit gegen die Daseinsberechtigung von Rooster Tours – persönliche, unkomplizierte Ausflüge für höchstens fünf bis sechs Personen. Falls ich aber Nein sagte, würde ich möglicherweise Mrs. Ames beleidigen und mich verpflichtet fühlen, einen Ersatzreiseleiter für sie zu organisieren – und einen solchen kannte ich nicht. Nach beinahe einer Stunde des Zögerns meinerseits und des Bittens ihrerseits nahm ich den Vorschlag schließlich an, unter einer eisernen Bedingung: Die Gäste, und zwar alle zwanzig, mussten beim vereinbarten Programm mitmachen.
Obwohl Mrs. Ames sich mit dieser Forderung sofort einverstanden erklärte, bekam ich ein paar Tage später von Miss Goldberg eine ganze Reihe Telefaxe, in denen sie dutzende Fragen zur Reiseroute stellte und immer wieder zusätzliche Stopps einbauen wollte.
Sie wollte wissen, ob ich am Morgen des ersten Tages in Florenz zur Gruppe stoßen und sie dann in ihrem Bus auf der Fahrt nach San Gimignano begleiten würde, um danach mit ihnen nach Siena zu einer Stadtrundfahrt weiterzufahren, sie am Abend nach Montalcino zum Abendessen zu begleiten und dann alle zum Hotel in Siena zurückzubringen. Für den nächsten Tag schrieb sie Besuche in Montepulciano, Montalcino, Pienza, im Weingut Banfi und dessen Museum, auf dem kleinen Gut von Barbi sowie in der Abtei von Monte Oliveto vor – und all das rasch genug, um rechtzeitig die berühmten gregorianischen Gesänge in der Abtei Sant’ Antimo zu Gehör zu bekommen. Am dritten Tag musste auf ihr Ersuchen nicht nur die von mir vorgeschlagene Rundreise durch das Chianti-Gebiet durchgeführt werden, sondern auch eine Kochlektion bei einer in den USA wegen ihrer Fernseh-Kochsendungen sehr bekannten adligen italienischen Dame.
Nicht damit zufrieden, ihren Freunden diese Marathonprogramme aufzuzwingen, erwartete sie von mir außerdem, dass ich sowohl mittags als auch abends Riesenmenüs in sehr eleganten und exklusiven Restaurants buchte. Da haben wir es, dachte ich. Ich fürchte, wir müssen dringend miteinander sprechen!
Und so folgte eine lange Faxkorrespondenz, in der es mir wenigstens teilweise gelang, sie davon zu überzeugen, dass ihr Programm aufgrund gewisser unumstößlicher physikalischer Gesetze schlicht und einfach undurchführbar sei. Um alle von ihr vorgeschlagenen Punkte zu berücksichtigen, müssten wir mindestens an zwei oder besser an drei Orten gleichzeitig sein. Eine Änderung sei also unumgänglich.
Nach sieben Monaten scheinbar endloser Anpassungen stand das Programm endlich definitiv fest.
Am ersten Tag würden wir von Florenz direkt nach Siena fahren, die Stadt besichtigen und das Mittagessen in einer typischen Enoteca einnehmen. Am Nachmittag würde ich meine Kunden in ihr Hotel begleiten, wo sie sich ausruhen könnten. Das Abendessen war – entgegen meinem Ratschlag – in einem berühmten Restaurant vorgesehen, das so weit vom Hotel entfernt lag, dass allein die Hinfahrt im Bus mindestens eineinhalb Stunden dauern würde.
Am zweiten Tag würde ich sie ins Kloster von Monte Oliveto begleiten, dann zu einem Produzenten des bekannten Brunello-Weins und anschließend nach Montalcino. Für das Mittagessen hatte ich ein charakteristisches Restaurant vorgeschlagen, als Abwechslung zu den eleganten Nouvelle-Cuisine-Restaurants, die Miss Goldberg für alle anderen Mahlzeiten gebucht hatte.
Am dritten Tag wollten wir direkt zu der italienischen Fernsehköchin fahren, wo wir auch das Mittagessen einnehmen würden. Am Nachmittag würde ich sie auf eine
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