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Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt

Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt

Titel: Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dario Castagno
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Signorelli und Sodoma an den Wänden des Kreuzgangs, die Szenen aus dem Leben des heiligen Benedikt zeigen. Sie stammen aus dem 15. Jahrhunder und sind von seltener Schönheit. Meiner Meinung nach gehören sie zu den künstlerischen Kostbarkeiten dieser Gegend.
    Die Gruppe hatte den Ausflug gelangweilt und unaufmerksam begonnen – und es wurde noch schlimmer. Rasch bemerkte ich, dass ein paar Gäste trotz der gut sichtbaren Verbotstafeln Blitzlichtaufnahmen machten. Ich bat darum, das Fotografieren einzustellen, aber ein paar Augenblicke später musste ich jemanden zurechtweisen, der seinen Finger auf eines der Fresken legte, um seine diesbezügliche Frage zu unterstreichen. Schließlich musste ich laut schreien, als eine Dame ihren reisemüden Körper gegen eine der Kostbarkeiten lehnte. Ich hatte eine Gruppe älterer und, wie man erwartet hätte, anständiger Leute vor mir. Aber sie benahmen sich genau wie Kinder auf einer Klassenfahrt.
    Kaum hatten wir den Kreuzgang verlassen, steuerte Miss Goldberg auf dem direktesten Weg auf mich zu. Ich roch sie, bevor ich sie sah. Die dicke Wolke ihres ekelhaft süßen Parfüms hüllte mich ein, lange bevor die Dame selbst vor mir stand, was mir Zeit gab, eine rasche Grimasse zu schneiden und dann meinen Gesichtsausdruck wieder zu glätten.
    »Dario«, sagte sie und lächelte so freundlich sie konnte, »können Sie mir einen Augenblick Ihr Handy leihen?« Ich gab es ihr. Sie stellte sich zur Seite, um ihren Anruf zu machen. Erst nachdem ihr Geruch verflogen war und ich wieder klar denken konnte, bemerkte ich, dass sie mit Nando sprach. Ich hörte, wie sie ihm befahl, mit dem Bus den Hügel hinunterzufahren und uns abzuholen, damit die faule Gruppe nicht wieder zu Fuß zum Parkplatz hinaufgehen musste. »Entschuldigen Sie bitte«, sagte ich entschlossen, »Sie können den Bus nicht herunterkommen lassen! Das ist verboten, und zwar aus gutem Grund – die Straße ist zu eng. Ich glaube wirklich nicht, dass es sich lohnt, ein Strafgeld zu riskieren oder stecken zu bleiben, nur um ein paar Meter weniger zu Fuß gehen zu müssen!«
    Aber Miss Goldberg ließ sich nicht erweichen. Der arme Nando musste die Zypressenallee hinunterfahren. Dabei beschädigte er ein paar Bäume, und – wie ich es vorausgesagt hatte – er konnte kaum wenden. Als die Abgase in die Kirche drangen, erschienen die Mönche, die bisher so getan hatten, als würden sie nichts sehen, und drohten, die Polizei zu rufen, wenn wir nicht sofort verschwänden.
    Aus diesem Grund mussten wir den Besuch in der Benediktiner-Apotheke der Abtei streichen. Die Touristen können dort Salben und andere von den Mönchen hergestellte Produkte erstehen. Da sie ohnehin nur am Einkaufen interessiert waren, war dies ein harter Schlag für die Gruppe, und viele wurden ihrer Leiterin gegenüber sichtlich ungehalten.
    Unser nächster Halt war im Weingut Barbi, wo der legendäre Brunello di Montalcino herstammt. Das Mittagessen fand im dortigen Restaurant statt, und zwar mit dem Menü, das ich am Vortag Miss Goldbergs Wünschen entsprechend hatte ändern müssen. Sie verblüffte mich mit ihrer Bemerkung, dass wir »ein typisch toskanisches Menü« essen würden. Weil sie die bruschetta als Vorspeise hatte streichen lassen, gab es sofort die Pilzsuppe, ein eher eigenartiges Gericht, dass tatsächlich nur von wenigen in der Gruppe geschätzt wurde. Als der Hauptgang – Kaninchenragout – aufgetischt wurde, hörte ich von vielen Tischen entsetzte Schreie. Offenbar war niemand geneigt, »Bugs Bunny« zu verspeisen.
    Ein Aufstand drohte. Um ihn zu vermeiden, erhob ich mich und verkündete, wir hätten nur gescherzt. In Wirklichkeit sei das Gericht eine Art lokale Hühnerspezialität. Zum Glück glaubten mir alle, und so aßen sie eifrig ihre Teller leer und schwemmten das Ganze mit dem günstigeren Rosso di Montalcino hinunter, den Miss Goldberg anstelle des Brunello ausgewählt hatte. Sehr wahrscheinlich landete alles gesparte Geld direkt in ihrer Geldbörse, denn kein Tourist, der nach Montalcino kommt, verpasst die Gelegenheit, den Brunello zu versuchen, auch wenn er etwas mehr kostet.
    Zurück im Bus, fuhren wir weiter nach Sant’ Antimo, in die Abtei, wo wir den Mönchen beim gregorianischen Gesang zuhören wollten. Auf diesem kurzen Abstecher rief die stets organisierende Miss Goldberg mich zu sich und teilte mir mit entschlossener Stimme eine Routenänderung mit. Nach dem Gesang würden wir nicht Montalcino besuchen, sondern nach

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