Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt
improvisierte Tour durch die Chianti-Gegend begleiten, wobei wir uns ganz nach der noch verfügbaren Zeit richten konnten.
Ich sah der Ankunft der Gruppe mit Grauen entgegen. Obwohl sie erst im Oktober kamen, begann ich mir bereits zu Beginn der Saison Sorgen zu machen. Jedes Mal, wenn ich daran dachte, drehte sich mir der Magen um. Je näher der Termin rückte, desto unruhiger wurde ich. Schließlich war der Tag da.
Die Abfahrt von Florenz war für acht Uhr dreißig vereinbart. Ich musste also um fünf Uhr aufstehen, um den Bus zu nehmen, der es mir ermöglichte, rechtzeitig ins Hotel zu kommen. Während ich von der Bushaltestelle durch die stillen Straßen von Florenz ging und die Stadt langsam aus dem Schlaf erwachte und sich für einen neuen Tag bereitmachte, versuchte ich mich psychologisch vorzubereiten.
Beim Hotel traf ich den Busfahrer, einen gutmütigen jungen Römer namens Nando, den ich zufällig schon von früher kannte. Wir vertrieben uns die Zeit mit Plaudern.
Um acht Uhr dreißig, der abgemachten Zeit, kam als Einzige meine frühere Kundin, Mrs. Ames, zum Bus herunter, dieses Mal ohne ihren Mann. Es wurde neun Uhr dreißig, bis nach und nach die weiteren Gäste auftauchten. Wie ich befürchtet hatte, waren alle etwas älter und gebrechlich. Ganz zuletzt erschien die Leiterin der Gruppe, die gefürchtete Miss Goldberg, ein wirklich enormes Frauenzimmer mittleren Alters, weit über einhundert Kilo schwer. Eine lächerliche Dauerwelle verunstaltete ihren Kopf. Ihr Haar war in hunderte kleine, enge Löckchen gedreht, das Ganze in einem schreienden Rotton, der in der Natur nirgends vorkommt. Auf ihr Gesicht hatte sie eine dicke Schicht rosarotes Make-up gestrichen, das dummerweise im Ton dem Lippenstift sehr ähnlich war, sodass es auf den ersten Blick so aussah, als hätte sie überhaupt keine Lippen. Sie trug ein elegantes grünes Kleid, das für eine Busfahrt völlig ungeeignet war, und ihre Füße steckten in den unvermeidlichen Turnschuhen von Nike. Ich stellte mich vor und schüttelte ihr die Hand. Dabei verlor ich unter der Masse ihres mit umfangreichen Goldarmbändchen beladenen Arms beinahe das Gleichgewicht. Sie stieg in den Bus und las die Liste der Teilnehmer vor. Dann gab sie Nando unter Juwelengeklirr das Zeichen loszufahren. Als wir auf der Straße waren, nahm ich das Mikrofon. Ich stellte mich vor, und dann erzählte ich ein paar unterhaltsame Anekdoten über die Feindschaft zwischen Siena und Florenz sowie über meine wenig freundschaftlichen Gefühle den Florentinern gegenüber.
In den vielen Jahren in dieser Branche habe ich mich immer darauf verlassen können, mit diesen Anekdoten das erste Eis zu brechen. Der Kunde schmunzelt oder lacht vergnügt in sich hinein, und schon fühlen wir uns beide ganz ungezwungen. Keiner meiner zwanzig Kunden schenkte mir dieses Mal auch nur das geringste Lächeln.
Gegen elf Uhr kamen wir in Siena an. Ich beschloss, es sei das Beste, mit dem Bus bis zur Porta Romana, einem alten Stadttor, zu fahren und die Gäste dort aussteigen zu lassen. Gemeinsam würden wir dann zu Fuß quer durch die Altstadt gehen und schließlich den Bus wieder besteigen, der inzwischen außen um die Stadt herum zum gegenüberliegenden Stadttor fahren und dort auf uns warten würde.
Kaum waren wir ausgestiegen, begannen alle zu fragen: »Wie lange müssen wir zu Fuß gehen?« Ich erklärte, dass wir Siena zu Fuß erkunden müssten, denn Autofahren sei in der Altstadt verboten. Etwa alle hundert Meter musste ich eine Pause einlegen und warten, bis die Langsameren aufgeschlossen hatten. Obwohl ich selbst furchtbar langsam ging, war ich der Gruppe ständig voraus. Alle zwei Minuten rief jemand: »Wie weit müssen wir noch gehen?« Nach zwanzig Minuten und vielen Pausen erreichten wir den Campoplatz. Meine Erklärungen über die Rolle des Palio im Leben von Siena und über die Bedeutung der Gebäude rund um den Platz wurden von erschöpftem Stöhnen, Brummeln und unterdrücktem Gähnen meiner Kunden untermalt. Am Ende meiner Litanei erkundigte ich mich, ob jemand eine Frage habe. Eine Dame wollte wissen, welches der beste Frisör in Siena sei, und ob ich einen Termin für sie vereinbaren könne. Eine andere erkundigte sich, wo sie einen Schokoriegel und eine Cola kaufen könne.
Diese entmutigende Pause auf dem Platz war von einem noch erfolgloseren Besuch im Dom gefolgt. In der riesigen Kathedrale schauten sich meine Kunden teilnahmslos und mechanisch um, als ob sie den Kopf nur
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