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Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt

Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt

Titel: Toskana Forever: Ein Reiseleiter erzählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dario Castagno
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vorübergehend, weil er in seiner Empörung zu hastig getrunken hatte und jetzt husten musste. Dann fuhr er fort.
    »Ich garantiere dir, die beiden machten sich über mich lustig. Die Frau machte das unschuldigste Gesicht, als sie ihren Kaffee bestellte, und fragte, wie man Cappuccino auf Italienisch sage! Mir reichte es, und ich forderte sie höflich auf zu verschwinden.«
    Ich erklärte ihm, dass die Frage absolut nicht ironisch gemeint war. Viele Ausländer haben sich inzwischen daran gewöhnt, in ihrem eigenen Land Cappuccino zu trinken, und sind sich überhaupt nicht mehr bewusst, dass es sich dabei um eine italienische Erfindung handelt.
    »So oder so«, erzählte mein Freund weiter, »als ich sie aufforderte, das Lokal zu verlassen, fing die Frau an, mich zu beschimpfen. Sie sagte, wir Italiener seien alle ungehobelte Kerle und Mafiosi, und dann warf sie die Wasserflasche auf den Boden! Sie war total hysterisch. Darauf beschuldigte der Mann mich, ich hätte seine Frau verärgert. Zwischen der einen und der anderen Beleidigung zogen sie das Tischtuch herunter, und es gab ein Riesendurcheinander mit all den Gläsern und dem Besteck. An diesem Punkt erschien Mario, der riesige sizilianische Koch des Restaurants, der schon wütend war, weil er so lange hatte bleiben müssen, und stieß die beiden zum Restaurant hinaus, auf die Straße. » Ecco! «, schloss er traurig. »So ist es gewesen!«
    Beschämt leerte ich mein Glas und ging.
    Und so haben wir nun ein amerikanisches Ehepaar, das für den Rest seines Lebens alle Italiener verdammen wird wegen eines winzigen Erlebnisses, bei dem sie – vielleicht sogar unbeabsichtigt – bei einem einzigen Italiener zu weit gegangen sind. Natürlich ist nicht jeder Zusammenstoß zwischen zwei Kulturen so explosiv, und nicht alle amerikanischen Gäste im Restaurant meines Freundes laufen Gefahr, mit Mario Bekanntschaft zu machen. Trotzdem bin ich ständig auf einen solchen Zwischenfall gefasst. Ich habe recht schnell erkannt, dass ich meine Lebensaufgabe darin sehe, Menschen aus einem Teil der Welt in einen anderen einzuführen – in einen Ort, dessen Sitten ihnen neu sind, dessen Sprache sie nicht kennen, dessen Traditionen merkwürdig scheinen und wo ein Salat zu einer Beleidigung werden kann.
    Aber ohne Einsatz kein Gewinn! Und genau besehen, denke ich, dass meine Bemühungen in ihrem kleinen, begrenzten Rahmen vielleicht doch zur italienisch-amerikanischen Verständigung beitragen.

Oktober und die Busreisenden
     
    Jetzt kommt des Jahres Höhepunkt: die Weinlese – la vendemmia. Die Luft ist erfüllt vom Duft zerquetschter Beeren, und später, wenn der Saft in den Bottichen zu gären beginnt, riecht es nach Most.
    Das Chianti-Gebiet ist reich an wilden Früchten. Überall wachsen Brombeeren und pralle, saftige Schlehen. Das Gleiche gilt für die Kastanien, Wacholderbeeren, Pilze und sogar Haselnüsse. Eicheln sind besonders reichlich vorhanden und werden von den vielen Wildschweinen sehr geschätzt und auch von den Eichelhähern, deren durchdringende Schreie oft durch den Wald schallen. In der Nähe der Bauernhäuser sind häufig Walnuss- und Feigenbäume zu finden. Letztere wachsen erstaunlich oft aus engsten Mauerspalten hervor. Die Herbstfarben entwickeln sich erst zaghaft. Tagsüber ist die Sonne noch warm, aber wenn sie untergegangen ist, kann es unvermittelt kalt werden, sodass kein Zweifel bestehen kann – der Sommer ist vorbei. Jetzt ist die Zeit für ein Feuer im offenen Kamin und die darin gerösteten Kastanien gekommen. Auch der Brennholzvorrat für den uns bevorstehenden langen Winter muss angelegt werden.
    Ein paar Monate vor Beginn der Touristensaison meldete sich bei mir eine freundliche Dame mittleren Alters, die mit ihrem Mann durch Italien reiste. Sie wollten ein paar Orte besichtigen, um die herum sie im Herbst eine Reise organisieren wollten. Sie fragte an, ob ich sie drei Tage lang in die Gegend um Siena begleiten und ihr die meiner Meinung nach wichtigsten Ausflugsziele zeigen könne.
    Es war Februar, normalerweise nicht der angenehmste Monat für eine Rundreise, aber wir hatten großes Glück mit ein paar kristallklaren Wintertagen, an welchen man am weiten Horizont Dinge entdeckt, die man während des übrigen Jahres nie zu sehen bekommt. Wahrscheinlich weil meine Kundin so sympathisch oder vielleicht weil ich besonders entspannt war – die Ausflüge fielen immerhin mitten in meinen üblichen Winterschlaf – jedenfalls fand ich die drei

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