Tot ist nur, wer vergessen ist (German Edition)
nicht festlegen. »Als sich herausstellte, dass die DNA nicht von Wright ist, habe ich Durandt noch einmal überprüft, weil ich davon ausging, jemand habe die Proben falsch beschriftet oder es hätte sonst ein Versehen gegeben. Aber im ganzen System war nichts zu finden.«
»Was meinen Sie damit? Er ist ein Opfer. Seine DNA muss in unserer Datenbank sein.«
Er schüttelte den Kopf. »Verstehen Sie jetzt? Dieser Fall ist wirklich irre merkwürdig. Samuel Durandt ist in keinem unserer Verzeichnisse zu finden. Als ob ihn jemand gelöscht hätte. Hätte ich die Proben nicht noch einmal angesehen, bevor sie vernichtet werden, wäre es, als hätte er nie existiert.«
»Wer würde so etwas tun?«
»Verraten Sie es mir! Aber …« Wieder zögerte er, ehe er einen weiteren DNA -Bogen aus der Aktenmappe zog. »… ich habe das hier gefunden.«
Sie zog die Stirn kraus, nahm ihm das Blatt aus der Hand und legte es neben die anderen. Jetzt gab es drei identische Muster. »Wo liegt das Problem? Sie haben seine Akte also doch irgendwo entdeckt – Durandt passt zu Durandt passt zu Durandt.«
»Nur ist diese Probe hier nicht von Sam Durandt. Und sie ist nicht als Beweis verwendbar. Denn ich habe sie aus einer Knochenmarkspender-Datenbank.«
»Wie bitte?«
»Ich weiß, ich weiß. Ich hatte keine gerichtliche Verfügung. Aber Sie müssen verstehen, so etwas darf nicht vorkommen. Niemals. Dagegen sichern wir uns ab, mit Kontrollmechanismen und doppelten Überprüfungen … « Er hielt inne, tippte dann mit einem Finger auf das zuletzt hinzugelegte Blatt. »Außerdem geht es mir so, dass, wenn ich ein Problem gefunden habe, dann kann ich einfach nicht –«
»Aufhören, bis Sie es gelöst haben«, ergänzte Caitlyn. Sie wusste Bescheid, denn ihr ging es ganz genauso. Hartnäckig, hatte ihr Vater sie genannt und dabei meistens gelächelt. Dickköpfig hatte die restliche Familie sie ohne ein Lächeln genannt. Ihre große Stärke – und ihre größte Schwäche. Nicht mehr loslassen zu können, sobald etwas ihre Neugier geweckt hatte.
»Zu wem also gehört diese illegal beschaffte unzulässige DNA ?«, wollte sie wissen.
»Zu jemandem mit Namen Stanley Diamontes.«
»Und wer zum Teufel ist Stanley Diamontes?«, fragte sie und massierte sich gleichzeitig den Akupunkturpunkt am Daumen, da ihr die Antwort mit Sicherheit nicht gefallen würde.
»Nun, Stanley ist Sam, es sei denn, Sam Durandt hat einen eineiigen Zwillingsbruder. Moment! Es wird noch schlimmer.« Er legte ein weiteres DNA -Blatt auf die Analyse der zweiten Blutprobe vom Tatort. Diejenige, die eigentlich von dem Mörder, Damian Wright, hätte sein sollen. Die beiden Muster stimmten überein.
»Unser Unbekannter vom Tatort hat also einen Namen. Will ich ihn wissen?«
»Nein, aber ich werde ihn Ihnen trotzdem sagen. Leo Richland. Deputy Marshal. Richland gilt seit zwei Jahren als vermisst. Zuletzt wurde er in Fairfax, Virginia, gesehen, und zwar am Tag bevor Josh und Sam – beziehungsweise Stan – angeblich von Damian Wright ermordet wurden.
Caitlyn atmete gepresst ein, weil die grellroten Blitze mit voller Wucht zurückkamen und ihr schwindelig wurde. Die grauen und schwarzen Linien der DNA -Tests verschwammen vor ihren Augen.
»Das ist alles, was ich herausfinden konnte. Da Logan sich zur Ruhe gesetzt hat, dachte ich mir, dass es jetzt ihr Fall ist, also … « Er beendete den Satz nicht, schloss den Aktenordner und schob ihn über den Picknicktisch zu ihr hinüber.
Sam Durandt war gar nicht Sam Durandt? Und statt Damian Wright hatte ein Deputy Marshal ihn und seinen Sohn umgebracht? Ein Deputy Marshal, der unter mysteriösen Umständen verschwunden war und überhaupt keinen Grund hatte, sich an dem Tag, an dem Sam und Josh ermordet wurden, auch nur in der Nähe von Hopewell, New York aufzuhalten.
Sie blinzelte, weil sich das Sonnenlicht im glänzend weißen Ordner fing, langte nach ihrer Sonnenbrille und schaffte es sogar irgendwie, sie aufzusetzen, ohne sich ein Auge auszustechen. Während der Arbeit gestand sie sich niemals einen Migräneanfall zu, hielt die Schmerzen stets in Schach, unterdrückte sie. Aber jetzt hatte es sie kalt erwischt.
»Danke, Clemens!« Sie versuchte, ihrer Stimme nichts von dem Schmerz anmerken zu lassen, der sie wie ein Schraubstock im Griff hielt.
»Danken Sie mir nicht«, gab er zurück. »Vermutlich habe ich Ihnen gerade eine tickende Zeitbombe überreicht.«
Er wischte sich die Krümel vom Schoß, stand auf und nahm seine
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