Tot ist nur, wer vergessen ist (German Edition)
ankam, warst du schon eingetroffen, zusammen mit Logan. Also gab ich vor, den Tatort zum ersten Mal zu sehen – inzwischen goss es wie aus Kübeln, also würde die Spurensuche nicht viel ergeben, das war mir klar. Allerdings konnte ich den Gedanken nicht ertragen, dass Wright ungeschoren davonkommen sollte, also habe ich heimlich die Speicherkarte platziert.«
»Und wir sind drauf reingefallen.«
Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Alles andere weißt du bereits. Meth oder andere Drogen habe ich seitdem nicht mehr angerührt. Nicht, dass das Sarah irgendwie geholfen hätte. Nachdem ich herausgefunden hatte, wer Korsakov ist und dass Sam früher eine andere Identität gehabt hat, wollte ich Sarah schützen, weil ich mir sicher war, dass irgendwann jemand hier auftauchen würde, der es auf sie abgesehen hat.« Er schaute mit reuigem Blick zu ihr auf. »Aber ich habe erneut versagt. Korsakov ist hier. Und er will Sarah.«
»Sarah ist weg.«
Er sprang auf und verlor beinahe das Gleichgewicht, weil die Handschellen ihn zurückhielten. Sie zog die Waffe. Er wich mit weit aufgerissenen Augen zurück. »Wohin? Hat Korsakov sie geschnappt?«
»Sie ist weggerannt. Als ich sie zuletzt gesehen habe, ist sie den Berg hinauf.«
Er dachte kurz nach, dann nickte er. »Sam. Sie ist wohl zu Sam gerannt.«
Caitlyn starrte ihn an. »Sam ist tot.«
»Nein. Er lebt. Und ist irgendwo auf dem Snakehead Mountain unterwegs.«
46
Sam ließ Sarah vorangehen. Anstatt dem verschlungenen Wanderweg zu folgen, kletterte sie geradewegs die Bergflanke hoch. Bei ihrem Aufstieg kamen sie abwechselnd durch dichte, schattige Waldstücke oder überquerten freiliegende schmale Zacken, auf die erbarmungslos die Sonne herabbrannte. Sie musste sich bewusst für diese anstrengende Strecke entschieden haben, dachte Sam, um jedes Gespräch unmöglich zu machen.
Bei jedem Schritt fuhr ihm ein stechender Schmerz in die Seite, und seine Beine waren inzwischen ganz taub und gummiweich, allein sein Wille trieb ihn weiter voran. Doch irgendwann konnte er nicht mehr, blieb einfach stehen und sank auf dem windumtosten Felsvorsprung nieder. Sarah fiel das erst auf, als sie schon halb um die nächste Biegung gegangen war; sie machte kehrt und baute sich mit in die Hüfte gestemmten Armen über ihm auf.
»Ich dachte, du arbeitest jetzt als Holzfäller oder irgend so was.«
»Ich arbeite in einem Holzlager«, verbesserte er sie, griff nach seinem Trinkschlauch und nahm einen kräftigen Zug, dann reichte er ihn an Sarah weiter. »Aber selbst Superman könnte nicht mit dir mithalten, wenn du in dieser Stimmung bist.«
Ihre Augen verdunkelten sich, wütend starrte sie ihn an. »Superman hätte mich wenigstens nicht alleine zurückgelassen, und meinen Sohn derart in Gefahr gebracht.«
Darauf ließ sich nicht viel erwidern. Er schüttelte die Beine aus und ließ sie über den Vorsprung baumeln, sodass wieder Leben in sie kam. Zum ersten Mal machte ihm seine Höhenangst nicht zu schaffen. Bei all den anderen Ängsten, die ihn zu überwältigen drohten, war schlicht kein Platz mehr dafür.
Nachdem sie eine Weile geschwiegen hatte, setzte sie sich zu ihm an die Felskante. Sie löste den Knopf ihrer Westentasche und zog Joshs Foto hervor. Sie hielt es so vor sich, dass sie beide es betrachten konnten. »Das hat Hal Logan abgenommen«, flüsterte sie. »Und mir gegeben. Er sieht so, so glücklich aus.« Ein Zittern ergriff von ihr Besitz. Er legte ihr einen Arm um die Schultern und war überrascht, dass sie ihm die Berührung gestattete, sich sogar näher heranziehen ließ.
»Wir schaffen das schon.« Eine leere Phrase, das wussten sie beide, trotzdem fühlte er sich besser, nachdem er die Worte ausgesprochen hatte. Ehe sie antworten konnte, vibrierte Julias Handy in seiner Tasche. Er zog es hervor. »Hallo?«
»Sam, mein Alter, wie geht es dir, verdammt? Wo zum Teufel steckst du?« Alans fröhliche Stimme war wie ein übler Schlag in die Magengrube.
»Woher hast du diese Nummer?«, fragte Sam argwöhnisch.
»Von der holden Jungfrau, Fräulein Julia. Sie genießt gerade unsere Gastfreundschaft hier oben in der Hütte des Colonels. Logan lässt dich übrigens auch schön grüßen.«
»Wag es ja nicht, ihr wehzutun –«
Sarah zerrte an seiner Hand, bis sie das Handy nahe genug an ihr Ohr gebracht hatte, um auch mithören zu können.
»So wie ich das sehe, hängt das ganz von dir ab. Ich kann mir denken, dass Sarah bei dir ist, also kommt bloß nicht auf
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