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Tot ist nur, wer vergessen ist (German Edition)

Tot ist nur, wer vergessen ist (German Edition)

Titel: Tot ist nur, wer vergessen ist (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Lyons
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zweihundert Soldaten befehligt, und so war es für Sarah schwer verständlich, wie sehr ihm diese Form der Gefangenschaft augenscheinlich gefiel. Oder zumindest die Wärterin.
    Sarah summte ein Lied vor sich hin und wippte mit dem Kopf im Takt, während sie ihre Ausrüstung ordnete. Eine Melodie aus Sams Country-Wildwest-Phase. Er hatte das Stück den »Regentag-Blues« genannt.
    Ich komme, Jungs. Keine Sorge, ich werde euch finden.
    * * *
    JD Dolan trat wie wild in die Pedale seines Mountainbikes, gab ordentlich Gas, um für den letzten Anstieg vor der Main Street Schwung zu holten. Mit hohem Tempo nahm er die Kurve und sah gerade noch links im Augenwinkel den violetten Wagen von Doktor Hedeger. Bremsen quietschten, gefolgt von lautem Hupen, aber JD war das egal. Er flitzte an dem orangefarbenen, niedrigen Postgebäude vorbei, einem derartig hässlichen Klinkerbau, dass er beinahe einen Aufstand unter den Anwohnern ausgelöst hätte. Na ja, jedenfalls das, was einem Aufstand in Hopewell jemals ansatzweise nahegekommen war. Oder sonst irgendetwas Aufregendem.
    JD hatte für die Schülerzeitung über die Proteste berichtet. Mrs Durandt, die die Schüler bei der Berufsfindung beriet, hatte eine dieser Reportagen bei einem bundesweiten Wettbewerb eingereicht, wo er sogar den zweiten Platz belegt hatte. Das hatte Mrs Durandt so beeindruckt, dass sie JD nun dabei half, sich für ein Praktikum bei einem Fernsehsender in Washington zu bewerben. Wenn der Dokumentarfilm, den JD für diesen Sommer plante, gut genug würde, dann könnte er im nächsten Sommer nach D. C. gehen und würde sogar dafür bezahlt werden, dass er alles über Journalismus lernte – anstatt mit seinem Dad Liefertouren zu fahren.
    »Langsamer, du Rowdy!«, rief Victoria, die Frau des Colonels, ihm nach, als er durch die Kiesauffahrt vor dem Postamt schlitterte und die kleinen Steinchen durch die Luft und auf ihren frisch gefegten Bürgersteig flogen. »Ich werde mich wegen dir an Chief Waverly wenden, jawohl, das werde ich!«
    JD antwortete mit einem Lächeln und lehnte sich noch weiter nach vorn über den Lenker. Fast geschafft, ein neuer Geschwindigkeitsrekord, da siehst du alt aus, Lance Armstrong! Vor Hal Waverly hatte er keine Angst. Der Chief war bestimmt auf Streife, half wahrscheinlich irgendwelchen vom Weg abgekommenen Touristen dabei, einen Reifen zu wechseln. Hal half immer gerade irgendwo irgendjemandem und verbrachte noch weniger Zeit zu Hause als in seinem neuen, hässlichen Büro.
    Das war der Haken, wenn man in einer Kleinstadt mitten im Nirgendwo aufwuchs: JD wusste über jeden hier im Ort Bescheid – und die anderen über ihn.
    Das dachten sie jedenfalls. Als er oben auf dem Hügel ankam, lächelte er freudestrahlend und reckte die Hände zur Siegerpose gen Himmel. Raste auf der anderen Seite zur Main Street hinunter, vorbei an Häusern, in denen er jeden einzelnen Bewohner aufzählen konnte – sämtliche Hunde, Kanarienvögel, diverse Rennmäuse und Hamster mit eingeschlossen. Er wich dem Bäckereilieferwagen aus, den Mr Harris vor ihm ausparkte, und kam pünktlich auf die Minute an, als die St.-Andrews Kirchenuhr zur vollen Stunde schlug.
    Vorhersehbar. Langweilig. Das war Hopewell.
    Dieser Sommer war der letzte, den JD in Freiheit verbrachte. Er dachte kurz darüber nach. Freiheit – ein wunderbares Wort. Wenn er nächstes Jahr sechzehn wurde, dann würde er jeden Sommer arbeiten müssen. Und hoffentlich genug Geld fürs College zusammensparen. Nach dem College wartete noch mehr Arbeit auf ihn. Aber die kommenden zweiundsiebzig Tage konnte er machen, was er wollte.
    Eine vertraute Gestalt lehnte am Laternenpfahl vor dem Rockslide . JD hatte plötzlich Mühe, genug Luft zu bekommen. Er bremste mit quietschenden Reifen und gab sich lässig, auch wenn es schwerfiel.
    »Hallo, JD «, sagte Julia Petrino, und ihr Lächeln löste ein sehnendes Ziehen in seiner Brustgegend aus. Sie trug kurz abgeschnittene Jeans und zwei locker sitzende Trägerhemdchen übereinander, die ihren perfekten Körper umspielten – eines rot, eines lila, aber irgendwie passten die Farben bei ihr zusammen. Das lange dunkelblonde Haar wurde vom Wind erfasst, und er konnte sehen, wie sich ihre Brustwarzen unter dem Stoff aufrichteten.
    Oh ja ! Das versprach ein denkwürdiger Sommer zu werden. Den Rest seines Lebens würde er sich daran erinnern.
    »Ich dachte schon, du hättest unsere Verabredung vergessen«, sagte Julia und schien gar nicht zu bemerken, dass er

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