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Tot ist nur, wer vergessen ist (German Edition)

Tot ist nur, wer vergessen ist (German Edition)

Titel: Tot ist nur, wer vergessen ist (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Lyons
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stopfte sich dabei noch ein Stück Huhn in den Mund. »Die markierten Punkte liegen alle auf dieser Seite der Schlucht, aber sie ist einfach so schlecht einsehbar. Sollen wir es morgen vielleicht von der anderen Seite aus versuchen? Dort gibt es einen Aussichtspunkt.«
    Julia hatte sich auf den Rücken gelegt und schaute zum Gipfel des Snakehead auf, dann wandte sie den Kopf in Richtung Norden. »Mit den Rädern würden wir einen ganzen Tag brauchen, um bis dort hoch zu kommen.« Nachdenklich legte sie die Stirn in Falten, und JD hätte nichts lieber getan, als sie ihr mit der Hand wieder glatt zu streichen. »Lass uns lieber draußen bei dem Wächterhäuschen neben dem Damm unsere Zelte aufschlagen.«
    »Am Damm fängt sich zwar der ganze Nebel, aber wir könnten trotzdem Glück haben. Schließlich wurden dort öfter Lichter gesichtet als sonst irgendwo.« Je länger er darüber nachdachte, desto besser gefiel ihm ihre Idee. »Vielleicht ist ja der Staudamm das Zielobjekt.«
    JD verlor sich in einem Tagtraum: In seiner Fantasie legte er ganz allein einer Horde wild dreinblickender Terroristen das Handwerk, sah den Stolz in den Augen seines Vaters; er stellte sich vor, wie ihm alle im Ort zujubelten, während er mit Julia an seiner Seite einen Orden überreicht bekam.
    »Wahrscheinlicher wären ein paar Jugendliche, die heimlich nackt im Stausee baden.« Julia sprang auf und strich sich das Gras von den Shorts. »Es wird langsam dunkel. Ich übernehme die erste Schicht.«
    JD wandte den Blick nicht von ihr ab, während sie sich vornüberbeugte, um in den Sucher der Kamera zu schauen. Es wurde rasch dunkler, aber die Nacht war warm, und die Sterne funkelten hell. Ihre Räder hatten starke Lichter, und sie mussten beide erst um Mitternacht zu Hause sein, außerdem war die Fahrt bergabwärts viel leichter als der Weg hier rauf. Und auf der Rattlesnake Pike war nachts kaum jemand unterwegs. Schon tagsüber war die unbefestigte Straße schwer befahrbar, und außer Hal Waverly wohnte auch niemand so weit oben am Berg. Aber der war bestimmt im Einsatz unterwegs, wie immer.
    JD hatte also sowohl Julia als auch den Berg für sich allein. Warmes Verlangen regte sich in seinem Körper, und ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Bislang hatte er nicht einmal den Mut aufgebracht, Julia auch nur zu küssen. Sie war etwas Besonderes. Er musste es behutsam angehen, wollte es richtig machen. Das war in Ordnung. Schließlich hatte er den ganzen Sommer.
    »Hey!«, hörte er ihre glockenhelle Stimme. »Ich glaube, ich sehe sie!«
    * * *
    Erst als es dämmerte, legte Sarah eine Verschnaufpause ein. Zwar machte es ihr nichts aus, im Dunkeln zu wandern, schon gar nicht, wenn ein Vollmond den Weg vor ihr erhellte. Aber ihr Körper wollte nicht mehr weiter, sie war kurz davor zusammenzubrechen. Bis jetzt war sie wie ein Zombie den Berg hinaufmarschiert, hatte nicht einmal angehalten, um kurz etwas zu essen oder zu trinken. Erst jetzt, als sie sich umschaute, bemerkte sie, wohin ihre Füße sie mit schlafwandlerischer Sicherheit geführt hatten.
    Zur Anhöhe über dem Snakebelly . Bei dem ersten Campingausflug mit Sam hatte sie ihn an diesen Ort mitgenommen. Und hier hatten sie sich auch zum ersten Mal geliebt, unter einem schimmernden Nachthimmel, von dem Sternschnuppen niedergingen. Sie erinnerte sich noch gut daran, wie sehr sich Sam erschrocken hatte, als sie über die Klippe gesprungen und sich in die Schlucht abgeseilt hatte. Nur mit Mühe hatte er den Kopf über den Abgrund strecken und nach unten spähen können, das Gesicht weiß wie Schnee und in Angstschweiß gebadet.
    Wie viel Mut ihm allein das abverlangt hatte, war Sarah damals noch nicht bewusst gewesen. Sie war von klein auf furchtlos zwischen den steilen Klippen herumgeklettert und kannte auch niemanden, der unter Höhenangst litt. Sam war eben auch anders als alle, die sie bis dahin gekannt hatte.
    Als ihr klar wurde,welche Qualen er auf sich nahm, nur weil sie glückselig über dem Rand der Felsspalte baumelte, wusste sie auch, dass sie den Menschen getroffen hatte, der ihr mehr bedeutete als ihre erste große Liebe – der Berg. Die Kletterausrüstung hatte sie danach an den Nagel gehängt und nur noch hervorgeholt, wenn sie für eine Rettungsaktion gebraucht wurde.
    Unter dem Vorsprung lag der Snakebelly , die Felsspalte, in der auf dem Snakehead zuletzt eine Leiche gefunden worden war. Lily Waverly, Hals Ehefrau.
    Im Snakebelly legte der Fluss seine Toten ab,

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