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Tot ist nur, wer vergessen ist (German Edition)

Tot ist nur, wer vergessen ist (German Edition)

Titel: Tot ist nur, wer vergessen ist (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Lyons
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bin.«
    »Und wie hübsch du bist.«
    »Ach, Dad! Gibst du ihr die Brosche?«
    »Natürlich.« Sam zog ihn noch einmal an sich, nutzte die Ablenkung, um sich unauffällig mit dem Hemdsärmel über die Augen zu wischen, dann gab er Josh einen letzten Kuss. »Der hier ist von Mami.«
    Josh atmete aus und seufzte dabei trauriger, als es je ein Fünfjähriger getan hatte. »Du bringst sie doch zurück, ja? Versprochen?«
    Sam schaute seinem Sohn fest in die Augen, Joshs kleines Geschenk lag in der Handfläche, die er vor der Brust hielt. »Jawohl, Sir. Wenn ich zurückkomme, dann werde ich Mami dabeihaben. Versprochen!«
    Falls ich zurückkomme.
    Sam hatte das Licht gelöscht und die Tür hinter sich geschlossen. Er schulterte seinen Gitarrenkoffer – alles andere war schon in seinem Pick-up – und ging die quietschenden Stufen ins Erdgeschoss des alten Bauernhofes hinunter. Mrs Beaucoeurs, ihre Vermieterin und in den letzten zwei Jahren Ersatzgroßmutter für Josh, wartete bereits auf ihn. Sie war eine jung gebliebene Frau von siebenundsechzig, immer noch rüstig genug, um jedem die Stirn zu bieten, der sie herausforderte.
    Das Wichtigste war jedoch, dass sie Josh heiß und innig liebte, ihn unter allen Umständen vor jeglichem Übel bewahren würde.
    Jetzt stand sie mit sorgenumwölkter Stirn vor ihm. »Das gefällt mir nicht, Samuel. Es muss doch einen anderen Weg geben.«
    »Tut mir leid, Mrs B, den gibt es nicht.« Er wollte zur Tür gehen, doch sie stellte sich ihm in den Weg. Er blieb kurz vor ihr stehen und nahm ihre Hände in seine. »Ich habe alle wichtigen Unterlagen dagelassen, alles, was Sie brauchen, für den Fall … « Er stockte, versuchte es erneut. »Das befindet sich alles in dem Schließfach. Den Schlüssel haben Sie ja.«
    Sie drückte seine Hände ganz fest, beinahe so fest wie er ihre. »Aber Josh –«
    »Sie werden gut für ihn sorgen.« Sie nickte. Er beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie auf beide Wangen. »Vielen Dank, Mrs B! Sie sind ein Engel.«
    Errötend zog sie die Hände weg und vergrub sie in ihrer Schürze. Sie war die einzige Frau, die Sam kannte, die tatsächlich eine Schürze trug – vorher hatte er das höchstens im Kino gesehen. Es war Teil ihrer Uniform. Mrs B wäre einfach nicht Mrs B ohne ihre Schürze, den schwarzen Sonntagshut, mit dem sie in die Kirche ging und an dem ein kleiner Witwenschleier befestigt war. Oder die leuchtend gelben Gummistiefel, die bei Unwetter oder scharfen Nordostwinden hervorgeholt wurden. Sie gehörte zu der aussterbenden Gattung wahrhaft vornehmer Damen.
    Sollte Korsakov sie oder Josh jemals finden, würde er sie beide umbringen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.
    »Also gut«, sagte sie kurz und bündig in ihrer nüchternen Art. »Je eher Sie gehen, desto eher werden Sie wieder bei Ihrem Sohn sein.«
    Sam schluckte schwer und nickte. Öffnete die Tür, konnte aber einem letzten Blick zurück über die Schulter und die Treppe hoch nicht widerstehen. »Sie werden –«
    »Es wird ihm gut gehen, Samuel, das verspreche ich.«
    Jetzt war es an Sam zu seufzen. Er versuchte ein Lächeln, doch es war angespannt. Alles verschwamm ihm vor den Augen, er musste blinzeln. Dann endlich löste er den Griff um den Türknauf und trat in die Dunkelheit hinaus.
    Es ist der einzige Ausweg.
    Er stieg in den verrosteten Ford Ranger, verstaute den Gitarrenkoffer hinter seinem Sitz und ließ den Motor an. Ein tiefes Brummen war zu hören. Der Ranger machte von außen vielleicht nicht mehr viel her, aber da ihr Leben von ihm abhing, hielt ihn Sam gut in Schuss. Er drehte sich um und schaute aus dem Heckfenster, während er rückwärts die vertrauten Kurven des Schotterwegs entlangfuhr.
    Als er die Straße erreicht hatte, hielt er kurz an. Kein anderer Wagen war zu sehen, nur die goldglänzenden Lichter des Bauernhofs, den er gerade verlassen hatte. Wie ein Leuchtfeuer in der Nacht, zu dem er hoffentlich bald wieder heimkehren würde.
    Beschütze sie, Herr! flehte er. Mit Gott zu sprechen fühlte sich immer noch seltsam an. Kurz nach Joshs Geburt hatte er damit angefangen, wenngleich die damals eher einseitigen Gespräche mit Wer-auch-immer-da-oben-war wohl kaum als Gebete gelten konnten. Nach allem, was ihm in den letzten zwei Jahren widerfahren war, hatte er jedoch ein tieferes Verhältnis zu Gott entwickelt, als nur um sein eigenes Wohl zu bitten oder ihm einen Handel abzuringen.
    Schließlich war es ein Wunder, dass überhaupt noch einer von ihnen am

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