Tot ist nur, wer vergessen ist (German Edition)
Hand, warf es achtlos in Richtung Küchentheke, auf der die Funkstation stand.
Wieder trafen sich ihre Lippen. Caitlyn stieß ihn von sich, holte Atem. »Nun, so weit, so schön, Chief«, sagte sie dann und kraulte seine Brustbehaarung, »aber vielleicht sollten wir uns lieber in die gemütlicheren Gefilde deines Bettes zurückziehen?«
Hal wandte den Kopf ab, blickte in den dunklen Flur hinter der Küche. Als würde er den Geist seiner toten Frau um Erlaubnis bitten.
»Hier ist es auch schön«, versicherte sie ihm, schlang ein Bein um seine Hüfte und zog ihn wieder zu sich heran.
Sie genoss die lustvollen Schauer, die jede Berührung, jeder Laut ihr schenkten. Hätte sie nur diese Art von Migräne schon früher erlebt – schmerzfrei, einfach ein reißender Strom der widersprüchlichsten Empfindungen. Als ob sie allmächtig wäre, aber zugleich vollkommen haltlos.
Ihre übersteigerte Wahrnehmung hatte nachgelassen, allerdings schien immer noch alles ein wenig zu hell, zu strahlend, fast brannten die Farben in den Augen. Auch spürte sie jede noch so zarte Berührung überdeutlich auf ihrer Haut: Hals warme Hände und seine sanfte Zunge hatten sie bereits mehrmals beinahe zum Höhepunkt gebracht.
Wenn das hier ihr letzter Arbeitstag war, dann war er verdammt noch mal ein richtiger Knaller. Caitlyn lachte auf vor Entzücken. Hal bemerkte das gar nicht. Er war mit ihrem Gürtel beschäftigt.
* * *
In halsbrecherischer Geschwindigkeit rannte Sarah den Weg entlang, über den Alan und Logan Sam weggeführt hatten. Zwar hatte sie keinen Schuss gehört, aber das musste nicht zwangsläufig bedeuten, dass Sam noch lebte. An der Grasfläche unterhalb des Staudamms blieb sie stehen. Aus dem Wärterhäuschen drang Licht in den Nebel hinaus, so hell wie ein Suchscheinwerfer.
Die Hütte hatte nur ein Fenster. Sie schlich sich vorsichtig an, hielt die Pistole dabei fest umklammert. Das Gras war feucht und glitschig, und die dicken Nebelschwaden nahmen ihr die Sicht auf das nur fünfzehn Meter entfernte Häuschen. Sarah hatte keinen konkreten Plan, nur den, dass sie Sam keinesfalls einfach so sterben lassen würde. Wie könnte sie Josh jemals wieder unter die Augen treten, mit dem Wissen, dass sie seinen Vater hätte retten können? Alles, was Sam getan hatte, war zu Joshs Schutz gewesen – das durfte doch nicht umsonst gewesen sein.
Bei aller Wut darüber, dass Sam ihr Josh weggenommen hatte – es war unbeschreiblich schön gewesen, wieder in seinen Armen zu liegen, hatte sich einfach richtig angefühlt.
Gebückt umrundete sie die Ecke der Hütte, pirschte an das Fenster heran. Und wäre beinahe über jemanden gestolpert, der dort am Boden lag.
»Au!«, hörte sie einen unterdrückten Schrei. Sarah presste sich flach an die Wand, hielt den Atem an und wartete ab, ob jemand im Innern der Hütte etwas gehört hatte. Eine endlose Minute verstrich, bis sie sich nach unten sinken ließ, wo ein Mädchen und ein Junge saßen.
»Julia, JD – was habt ihr hier verloren?«, flüsterte sie.
JD nahm die Hand von Julias Mund und wollte etwas antworten. Doch Sarah brachte ihn mit einer Geste zum Schweigen und bedeutete den beiden, ihr zu folgen.
Das konnte sie nun wirklich nicht brauchen: zwei Kinder in der Schusslinie. Klammheimlich krochen sie zum Waldrand zurück, weit genug weg von der Hütte, um frei sprechen zu können.
»Mrs Durandt«, beeilte sich JD zu sagen, »Ihr Mann, er ist –«
»Du hast Sam gesehen?«
Er nickte und redete gleichzeitig wieder los. »Ja. Er lebt. Sieht aus, als hätte er Schläge abbekommen. Aber er ist dort drin.« Er deutete mit dem Kopf in Richtung Hütte. »Zwei Männer –«
»Einer von ihnen ist weggegangen«, warf Julia ein. »Wir haben die Polizei gerufen.«
»Sie haben Pistolen.«
Beide Teenager hielten inne, als ihr Blick auf die Waffe in Sarahs Hand fiel. »Ist schon gut«, versicherte sie rasch. »Alles wird gut werden.«
»Aber Mrs D, wie haben –«
»Er war doch tot, alle wussten –«
Sarah fühlte sich von den vielen Fragen überrumpelt. Fragen, für die sie jetzt keine Zeit hatte. »Ihr habt die Polizei gerufen?«
»Ja, aber ich bin nicht sicher, ob die mir geglaubt haben. Jeder hier weiß, dass JD und ich diesen seltsamen Lichtern auf der Spur sind.«
»Julia meint, die Bullen würden das für einen Streich halten und denken, dass ich sie für meinen Dokumentarfilm hierher locken will. Denn wir haben vor zwanzig Minuten angerufen, es ist aber noch immer niemand hier
Weitere Kostenlose Bücher