Tot ist nur, wer vergessen ist (German Edition)
wiedersehen, wäre nie sicher, ob sie und Josh tatsächlich in Sicherheit waren. Immer auf der Hut, ohne jemandem, dem sie vertrauen konnte …
So wollte sie nicht leben. Und Sam – sie zweifelte nicht daran, dass er bereit war, sich für sie und Josh zu opfern, aber wer wusste, ob das ausreichen würde? Ob er in der Lage wäre, all das zu tun, was getan werden musste, um sie zu retten? Früher hatte sie ihm vertraut. Konnte sie ihm wieder vertrauen?
»Nein.« Die einzelne Silbe hallte wie ein Schuss durch die Dunkelheit. »Nein. Es muss einen anderen Weg geben. Wir werden zu Hal gehen. Er kann Alan festnehmen, und Kontakt zu –«
»Nein. All das hat überhaupt erst angefangen, nachdem ich Alan mit einbezogen habe. Wir können weder ihm noch dem FBI trauen, da wir keine Ahnung haben, wer für Korsakov arbeitet.«
Sarah zog die Stirn kraus. Sie kannte Hal beinahe ihr ganzes Leben. Hatte ihm immer vertraut. Allerdings hatte er sich seltsam verhalten, nachdem sie Leo Richlands Leiche gefunden hatte. Verärgert. Aufgebracht. Aber nicht überrascht. Hätte er nicht viel überraschter sein sollen? Fragen stellen? Stattdessen hatte er sich eher verhalten, als hätte er das längst erwartet.
Verdammt! Sams Paranoia war ansteckend. Und da Joshs Leben auf dem Spiel stand, konnten sie keinerlei Risiko eingehen.
»Einverstanden. Was Hal angeht. Aber was ist mit meinem Vater?« Schon bereute sie ihre Worte. Auf keinen Fall wollte sie, dass der Colonel in diesen Wahnsinn mit hineingezogen wurde.
»Sarah. Wir dürfen es nicht darauf ankommen lassen. Gib mir einfach meine Pistole zurück, und mach dich auf den Weg, ehe es zu spät ist!«
Ein Zweig knackste ganz in der Nähe. Sarah fuhr herum. »Da kommt jemand. Verschwinde!«, flüsterte sie Sam zu.
Er umfasste ihre Taille, zog sie an sich und küsste sie stürmisch. Die Schritte kamen näher, übertönten alle anderen nächtlichen Geräusche. In ihrer Erregung nahm Sarah jedoch kaum noch etwas wahr. Der viel zu kurze Kuss weckte Gefühle, die sie schon lange nicht mehr für möglich gehalten hatte.
»Geh! Gib auf Josh acht! Ich liebe dich.« Er rannte auf die Lichtung und wurde sofort vom Licht einer Taschenlampe erfasst.
Ihre Brust zog sich zusammen, und sie bekam kein Wort mehr heraus. Sie klammerte sich an seinem Blick fest, als hinge ihr Leben davon ab.
Ein weiterer Lichtkegel strich durch die Bäume und landete direkt auf Sams Herz.
»Halt und keine Bewegung, oder ich schieße«, rief eine Männerstimme.
33
Sarah wich in die Schatten zwischen den beiden großen Tannen zurück, den Rücken fest gegen eine Eiche gepresst. Zwei Männer kamen auf Sam zu. Da sie die Taschenlampen weiterhin auf ihn gerichtet hielten, konnte sie zunächst keine Gesichter erkennen. Sam stand mit erhobenen Händen da und blinzelte in das grelle Licht.
Einer der Männer stürmte auf ihn zu und trat ihm die Beine weg. Stöhnend fiel Sam zu Boden. Als Nächstes rammte der Kerl Sam einen Ellbogen zwischen die Schulterblätter. Dann hielt er ihn auf dem Boden fest, der andere Mann kam dazu und ließ seine Taschenlampe sinken.
Es war Alan. Sarah presste sich noch stärker an den Baum, bis ihre Vliesjacke an der rauen Rinde Fäden zog. Alan bedrohte Sam mit einer Waffe, während der Schläger Sams Taschen durchsuchte, ihm Handy und Taschenlampe abnahm. Sam sagte kein Wort, sein Gesicht war blass im Schein der Lampe, die von oben auf ihn gerichtet war.
»Wo ist Sarah?«, schrie Alan.
Sam öffnete die Augen und lächelte ihn an. So hatte Sarah ihn noch nie zuvor lächeln sehen – ein böses, schadenfrohes Lächeln, wie es die Raufbolde auf dem Schulhof gern aufsetzten. »Schon lange weg. Auf dem Weg zu Josh. Du wirst mit mir vorliebnehmen müssen.« Alan hob den Fuß, um Sam in die Rippen zu treten. »Du Hurensohn. Das hier ist hoffentlich die Mühe wert, ansonsten werde ich –«
»Hab was«, unterbrach ihn der andere Mann. Als Alan daraufhin die Taschenlampe sinken ließ, konnte Sarah erstmals einen Blick auf das Gesicht seines Partners erhaschen. Er kam ihr bekannt vor, aber sie wusste nicht, woher. Er war etwas älter, Mitte fünfzig mindestens, und hantierte mühelos mit Pistole und Taschenlampe. Wie ein Profi.
Sie ließ die Halbautomatik aus der Jackentasche gleiten. Sobald die beiden Männer von Sam wegtraten, hätte sie freie Schussbahn und könnte zumindest einen von ihnen treffen.
Sie erstarrte mitten in der Bewegung. Was wäre mit dem anderen? Beide zielten auf Sam; und bei
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