Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)
meinst du? Du hast einen anderen Mann?« Sie fiel fast aus ihrer Liege, so nah beugte sie sich zu mir herüber.
»Ja, da gibt es jemanden.« Da gibt es jemanden. So in die laue Luft einer klaren Sommernacht gesprochen, klang das wie ein Utta-Danella-Zitat. Hätten mir nicht
so die Füße wehgetan, ein bisschen hätte ich mich fühlen können wie eine romantische Prinzessin, die versonnen einen Seidenschal bestickt und dabei leise seufzend an ihren Angebeteten denkt.
»Aber keiner vom Schiff?«
Ich musste lachen. Wer sollte das denn sein? Der Quasimodo aus der Küche? Joachim mit dem Honigbär-Bauch? Herr Krämer mit den frischen Unterhosen?
Ich zögerte. Es war ungewohnt, darüber zu sprechen, und ich wusste noch nicht, ob es gut oder schlecht war, eine neue Mitwisserin zu haben.
»Ich kenne ihn schon seit ein paar Jahren«, begann ich. Die Geschichte war so unspektakulär wie unerfreulich: Anna lernt mit sechzehn in der Disco einen Mann kennen, Jan heißt der Mann, Anna gefällt der Mann, sie ihm auch. Man geht zusammen aus, es ist sehr romantisch, aber man wird nie ein Paar. Dann sieht man sich ein paar Jahre nicht, weil er ihr aus dem Weg geht. Dann spricht er zum ersten Mal von seiner Freundin, man sieht sich wieder eine Weile nicht. Dann klopft mal er wieder an, dann mal wieder sie, so vergehen zwei, drei weitere Jahre. Sein Umzug nach Hamburg, ich verlasse sie, tut er nicht, jetzt aber ganz bestimmt, und auch dann nicht. Dann die Ausbildung, man sieht sich weniger, wieder Funkstille. Wiedersehen, und jetzt ab und an eine SMS. Wünschte, du wärst bei mir. Und du bei mir. Aber dazwischen liegen immer mindestens tausend Kilometer, Hamburg ist weit.
»Warum hast du das mitgemacht?« In ihrer Stimme war ein Vorwurf. Ich kannte das von meinen Freundinnen.
»Weiß ich nicht«, brummte ich in die Nacht, ich wollte keine Vorwürfe hören. Es war klar, dass sie das fragen würde, und eben deshalb war das nichts, was ich unbedingt herumerzählen wollte.
»Liebst du den denn?«
»Ja.«
»Klingt entschieden.«
»Ach, ich weiß nicht. Ich hasse ihn ja auch. Und ich hasse mich.«
Ich zeigte ihr die letzte SMS, die er mir vor zwei Tagen geschickt hatte, und meine Antwort an ihn.
»Du musst zu ihm, sobald das hier vorbei ist. Du stellst ihn vor die Wahl: jetzt oder nie. Du musst ihn heiraten.«
Eva war zweifellos eine große Romantikerin. Das mit dem Heiratenmüssen sagte sie von da an immer wieder, wenn wir auf dem Sonnendeck saßen: Du musst zu ihm. Ich mochte, wie entschieden sie das sagte. Und irgendwann glaubte ich ihr. Ich musste zu ihm. Nach dem Schiff. Wenn das alles vorbei war.
Zwei Wochen später steuerten wir tatsächlich in Richtung Hamburg. Eva war jetzt gar nicht mehr zu halten und malte mir mein bevorstehendes Wiedersehen in allen Farben aus. Sie machte Vorschläge, welches Kleid, welche Frisur und welchen Nagellack ich tragen sollte. Ich fand es ein bisschen kindisch, aber vor allem auch sehr schön.
Als wir in Köln waren, erreichte uns die Nachricht vom Elbhochwasser. Deiche brachen und ganze Ortschaften wurden überschwemmt. Die vorgesehene Route konnten wir nicht mehr nehmen. Helga und Joachim beratschlagten mit den Gästen, was zu tun sei, und als gegen
eine kleine Hollandfahrt niemand etwas einzuwenden hatte, schwenkten wir um. Dass es für die Morgentau ein Problem werden könnte, ein Stück über die Nordsee zu fahren, erwähnten weder Joachim noch Helga, dabei waren sie doch immer äußerst streng, wenn wir von Südfrankreich aus manchmal Sehnsucht nach einer echten Seefahrt bekamen und vorschlugen, nach Korsika, Sardinien oder Afrika überzusetzen. Für so etwas ist die Morgentau nicht zugelassen, hieß es dann stets. Ich hatte dennoch keine Angst, mit Joachim übers Meer zu fahren. Wenn Joachim so entscheidet, dachte ich, wird es schon richtig sein. Und irgendwie mussten wir die Elbe ja umschiffen, das sah ich ein. Niemals hätte ich gegen den Plan protestiert – ich arbeite ja nicht beim Schifffahrtsamt.
Als wir ablegten, deckte ich gerade die Tische für das Mittagessen ein. Ich sah so oft es ging nach draußen, weil ich mir diesen Moment merken wollte. Wie gerne hätte ich das oben auf dem Sonnendeck erlebt: meine erste große Überfahrt. Endlich richtige Wellen und das Gefühl von Weite, endlich ein bisschen Seewind um die Nase. Die Morgentau schaukelte zu meiner Freude merklich stärker als sonst, und ich beschloss, bei nächster Gelegenheit auf eine Zigarette nach draußen zu
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