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Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)

Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)

Titel: Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna K.
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verschwinden.
    Statt jedoch weiter von der großen Seefahrt träumen zu können, wurde ich von Helga nach dem Essen nach unten an die Mangel beordert. Ich saß unten, als ich merkte, dass sich draußen etwas veränderte. Die Morgentau wurde stärker als sonst von links nach rechts geworfen. Sie hob und senkte sich unruhig, und gegen die Bullaugen,
die jetzt brav geschlossen waren, schwappten regelmäßig immer größere Wellen. Das Wetter verschlechterte sich immer weiter, das Schaukeln nahm zu. Es wurde immer grauer und dunkler. Ich bemühte mich, meine Laken einigermaßen gerade in die Mangel zu bekommen und fragte mich, wie es wohl den Gästen erging. Sicher hatte Helga sie schon im Restaurant zusammengetrommelt und gab eine Sonderration Kuchen aus, damit sich keiner aufregte.
    Die Mangel war so groß wie ein Klavier. Ihre beiden Walzen steuerte ich über ein Pedal mit den Füßen. Die Kunst bestand darin, die beiden Walzen, heiß wie Bügeleisen, nicht zu spät, aber auch nicht zu früh zusammenfallen zu lassen, nachdem man mit beiden Händen den Stoff vorsichtig dazwischengeschoben hatte. Ich habe mir an diesem Ding mehr als einmal die Finger verbrannt und dicke Blasen zugezogen, wenn ich es nicht schaffte, die Hände rechtzeitig zurückzuziehen.
    Ich saß noch immer an dieser höllischen Maschine, als draußen langsam ein echter Sturm aufzog. Ein paar Mal flackerte die Deckenlampe, was nichts Gutes für unseren Generator vermuten ließ, und von oben hörte ich ab und zu gedämpfte Ausrufe unserer Gäste. Ich schnappte mir eilig Laken um Laken und versuchte dabei, nicht vom Stuhl zu fallen.
    Ich stand erst auf, als ich mein Handy piepsen hörte. Es lag in unserer Kajüte, eigentlich etwas zu weit weg, um von meinem Sitz aus hörbar zu sein, aber ich war mir ganz sicher, dass es gepiepst hatte. Vielleicht hoffte ich insgeheim auf eine SMS aus Hamburg, zumindest ließ
ich die Mangel kurz stehen und eilte in den Nebenraum. Die Morgentau schwankte jetzt so sehr, dass ich mich am Bettgestell festhielt, als ich meine Tasche durchwühlte und das Handy hervorzog. Keine SMS. Kein Anruf. Da war gar nichts. Enttäuscht wandte ich mich um und wurde im selben Moment unsanft an die Wand geworfen. Die Morgentau schien einen Bocksprung gemacht zu haben. Im Nebenraum hörte ich es fürchterlich rumsen.
    Es dauerte ein paar Sekunden, dann rappelte ich mich auf. Ich tastete mich wieder hinüber zur Mangel. Sie war umgekippt. Sie hatte den Stecker aus der Wand gerissen und meinen Stuhl unter sich begraben. Wenn ich dort gesessen hätte, wenn ich mir keine SMS eingebildet hätte, dann hätte ich jetzt ein ziemlich großes Problem. Mir wurde schlecht.
    Ich schleppte mich nach oben, wo ich mich eigentlich zu Eva flüchten und mich mit ihr freuen wollte, dass ich noch lebte und zwei funktionstüchtige Beine hatte, aber sie war vollauf damit beschäftigt, den sich übergebenden Gästen Schalen und Töpfe zu bringen, damit die Sessel nicht alles abbekamen. Ein älterer Herr kotzte gerade schwungvoll in unseren Suppentopf, und ich fragte mich nicht ohne Schadenfreude, was wohl Hendrik dazu sagen würde.
    Wie eine Gruppe verschreckter Hasen saßen die Gäste an den Tischen und hielten sich daran fest, als könne im Ernstfall ein gestärktes Tischtuch als Rettungsring dienen. Andere klammerten sich an die Sessel vor der Bar. Ein Ehepaar lag flach auf dem Boden und murmelte vor sich hin, als würde es mit dem Gesicht zum Teppich
um Erlösung beten. Waren sie, dachte ich, spontan zum Islam konvertiert?
    Ich wusste gar nicht, wo ich zuerst helfen sollte – es war herzzerreißend zu sehen, wie sich unsere Gäste quälten, und ich gab mir Mühe, ihnen wenigstens ein bisschen Trost zu spenden.
    Helga rannte auf und ab und tat, was sie am besten konnte: sinnlose Kommandos geben. »Schnell, noch mehr Tücher, jetzt hol doch einer mal ein Tuch!« Sie wollte allen Ernstes die verschütteten Getränke aufwischen, die überall in die Tischtücher einsickerten. Als ihr keiner ein Wischtuch brachte, zog sie die Decken von den Tischen, was dazu führte, dass das Geschirr und die teilweise zerschlagenen Gläser jetzt auf dem Fußboden herumlagen.
    Als der Sturm abgezogen war und wir wussten, dass wir überleben würden, kehrten und putzten wir erst mal ein paar Stunden.
    Wir verlebten danach tatsächlich ein paar ruhige Tage. Helga, der das Mangel-Unglück nicht verborgen geblieben war, zeigte sich besorgt und gab sich Mühe, uns ein bisschen zu schonen.

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