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Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)

Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)

Titel: Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna K.
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nächtlichen Stunden im Liegestuhl. Sie wussten ja, dass um diese Zeit keine Gäste mehr unterwegs waren und uns beim »Ferien machen« sehen konnten. Wahrscheinlich war ihnen seit meinem Wutausbruch auch klar, dass wir diese Stunden brauchten, um nicht irgendwann erschöpft über die Reling zu kippen. Es kam von nun an sogar manchmal vor, dass wir mit Helga lachten, wenn sie wieder mal beim Versuch scheiterte, eine strenge Blattsalat-Diät zu machen.
Daran, wie voll oder wie leer die Weingläser waren, wagte sie nicht mehr zu herumzumäkeln. Vielleicht hatten wir auch einfach den perfekten Pegel herausgefunden.
    Ich trank abends auf dem Sonnendeck ein Gläschen Rotwein, rauchte meine Gauloises Menthol und schrieb pro Abend drei SMS: eine an meine Mutter, eine an Katja und eine an David, meinen Freund, den ich kurz vor meiner Abfahrt in einem Club kennengelernt hatte. Ich schrieb in dieser Reihenfolge. David beteuerte jeden Tag aufs Neue, dass er ohne mich nicht leben könne. Ich fand das übertrieben, natürlich könnte er das, und natürlich könnte ich auch ohne ihn leben. Ich ahnte, dass diese Beziehung langsam zu Ende gehen würde, wenn ich erst wieder in Berlin wäre. Aber noch war ich weit weg und schrieb brav meine allabendliche Beziehungs-SMS.
    Meiner Mutter verschwieg ich, anders als David, der genug an sich selbst zu leiden hatte, keineswegs, wie es auf dem Schiff zuging. Anfangs fragte sie immer wieder euphorisch nach dem nächsten Halt »meiner Reise«, wie sie das nannte, aber je ehrlicher ich ihr schrieb, umso besorgter war sie. Bald schrieb ich ihr nur noch, wenn wir etwas besonders Schönes erlebten: wenn wir Eis essen waren in Arles oder Fisch in Avignon.
    Irgendwann, als sich meine SMS doch wieder schlimm angehört haben musste, schrieb sie: »Komm sofort nach Hause, Kleine.«
    Ich antwortete: »Nee, Mama, geht schon. Mach dir keine Sorgen.«
    »Doch, komm bitte zurück. Kauf dir ein Zugticket. Ich bezahle.«
    Ich hätte heulen können. Meine Schulfreundinnen machten Erasmus in Barcelona und in Dublin, sie feierten, küssten Männer aus Italien, Norwegen und Chile. Ich hingegen saß nachts auf einem Sonnendeck und zwei Etagen darunter gingen gerade die Siebzigjährigen ins Bett. Aber aufgeben? Das kam nicht infrage. Ich hatte noch nie aufgegeben. Ich würde bleiben, wo ich war.
    Manchmal beneidete ich Eva. Sie hatte sich ihr nahezu akzentfreies Deutsch mehr oder weniger selber beigebracht und machte das hier nun schon zum dritten Mal. Sie klagte nie. »Für mich ist das sehr viel Geld«, sagte sie, wenn Hendrik und ich aus unseren Gehaltszetteln Segelflieger bastelten. Ich wusste, dass sie in Bulgarien ihre Großeltern unterstützte und vor der Morgentau nie mehr als vierhundert Euro im Monat verdient hatte. Aus reiner Dankbarkeit hätte sie auch sechsundzwanzig Stunden am Tag gearbeitet, wenn das möglich gewesen wäre.
    »Was vermisst du am meisten?«, fragte sie mich einmal, als wir beim zweiten Rotwein waren.
    »Einkaufen. Ich träume davon, mal wieder über den Wochenmarkt zu gehen. Blumenkohl kaufen und zu Hause kochen. Nur für mich.«
    »Und deinen Freund, vermisst du den?«
    »Geht«, sagte ich.
    »Geht?«
    »Manchmal wäre ich gerne bei ihm. Aber ich finde es irgendwie abtörnend, wie sehr er mich vermisst.«
    »Liebst du ihn denn?«
    »Was heißt das: Lieben?«
    »Ist doch klar.« Sie schüttelte erstaunt den Kopf.
    »Liebst du denn deinen Freund?«
    »Ja. Sicher. Sonst wäre er ja nicht mein Freund«, sagte sie.
    »Hast du keine Angst, dass er dich betrügt?«, fragte ich Eva nach einer Weile.
    »Komischerweise nein.«
    »Ich auch nicht. So wie der jammert.« Wir lachten.
    »Glaubst du nicht, er könnte es trotzdem tun? So als Trost, weil du nicht da bist?«
    »Hm.« Ich hatte noch nicht daran gedacht, und gerade jetzt waren David und unsere Beziehung ziemlich weit weg.
    »Ich glaube es ja von Janov auch. Man weiß nie, wie sie wirklich denken. Warum sollten unsere Männer gerade die Ausnahme sein?«
    »Ach …«, sagte ich, »ich bin ja auch keine Ausnahme.« Eigentlich wollte ich ihr das nicht sagen. Ich erzählte das eigentlich nie jemandem, der die Geschichte nicht von Anfang an mitbekommen hat. Aber auf dem Schiff war man einfach so nahe beieinander, und es gab so wenig Neues zu erzählen, weil man ja nichts erlebte, dass man anfing, sich sein Leben zu erzählen. Auch das, was man sonst mit gutem Grund für sich behielt.
    Eva war natürlich gleich sehr interessiert. »Moment. Was

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