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Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)

Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)

Titel: Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna K.
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nicht.
    Ich verbrachte meine Zeit nun nicht mehr damit, Staub zu wischen oder Betten zu machen, was mir mein Rücken, meine Füße und meine Haut gleichermaßen dankten. Und ich lernte wieder ein bisschen mehr über die Menschen als Gäste, über Reisende und ihre Angewohnheiten.
    Wer ein Hotel betritt, betritt eine neue Welt: Wo es Frühstück gibt, ist herauszufinden, wo man abends noch ein Bier bekommt, und der Weg zur Terrasse oder zum Spa ist auch noch nicht bekannt. Trotzdem: Ich wage zu behaupten, dass in keinem Hotel diese Wege unauffindbar sind. Auch ein Fernsehgerät dürften die meisten von zu Hause kennen, eine Klimaanlage hat man auch schon einmal gesehen, und selbst der Griff für das Doppelfenster ist, auch wenn man zu Hause mit Einfachverglasung
prima auskommt, kein Schaltkreis für einen Kernreaktor. Und doch habe ich im Hotel mehr unmündige Erwachsene gesehen, als ich es für möglich gehalten hätte. Mir war, als sei ich eine Art Kindergärtnerin, die den verunsicherten Geschöpfen, die da ins Diamant traten, die Angst nehmen musste, sie könnten ohne mich in dieser schrecklich großen Stadt nicht überleben.
    Nicht nur Menschen über siebzig, sondern auch Männer und Frauen von zackiger Gestalt, die sicherlich wussten, wie man einen BlackBerry von UMTS auf W-LAN umstellt, fragten mich Dinge, von denen ich nie gedacht hätte, dass ich sie jemals gefragt werden würde. Fahren U-Bahnen auch abends? Wie kaufe ich mir ein S-Bahn-Ticket? Gibt es EC-Automaten in Berlin? Was kostet eine Fünfundvierzig-Cent-Briefmarke? Gab es eigentlich auch eine Mauer um Westberlin – oder nur um Ostberlin? Wer war eigentlich dieser Checkpoint Charlie? Meine allerliebste Frage jedoch: Was genau ist denn eine U-Bahn?
    Manchmal habe ich Wetten mit mir selbst abgeschlossen: Wie lange wird es dauern, bis der Neue von Zimmer neunzig anruft, um wegen des Fernsehers zu fragen? Wetten, dass der Typ mit dem roten Trolley noch einmal zurückkommt, bevor er sein Zimmer bezieht, um sicherheitshalber wegen des Safes noch einmal nachzuhaken.
    Selbst wenn ein riesiges Schild die Richtung zum Fahrstuhl anzeigte und selbst wenn ich es außerdem noch mal persönlich erklärte: In neunundachtzig Prozent der Fälle kamen die Gäste zurück, völlig verwirrt: »Entschuldigen Sie, wie finde ich hier …?« Man musste sich fragen: Wie finden die sich an einem ganz normalen Bahnhof
zurecht? Oder am Alexanderplatz, wo S-Bahnen, Tram, U-Bahnen und noch ein paar andere Züge zusammenkommen?
    Welchen Effekt hat das Betreten eines Hotels auf ganz gewöhnliche Leute? Ich nannte diesen Effekt »Überforderung durch Unterforderung« (man möge dieses Paradoxon bitte einst nach mir benennen, wenn es die Wissenschaft erforscht hat, vielen Dank): Wenn man den Menschen das Gefühl gibt, alles für sie zu tun, dann sind sie bald außerstande, selbst das Einfachste noch selber hinzukriegen. »Die klappen einfach das Gehirn nach hinten.« Sara brachte die Sache auf den Punkt.
    Fahrstuhl, Fernseher – das waren nur die ersten Hürden. Es gab noch eine Vielzahl weiterer Dinge, die die Gäste einfach nicht verstanden:
– Dass in den Zimmern nur Licht brennen kann, wenn die Zimmerkarte in den dafür vorgesehenen Schlitz gesteckt ist.
– Dass wir bei Ankunft im Hotel die Kreditkarte schon mal durchs Lesegerät ziehen, nicht um Hunderte von Euros abzubuchen, sondern um sicher zu sein, dass der Gast im Besitz einer gültigen und belastbaren Kreditkarte ist.
– Dass jeder Gast aus gesetzlichen Gründen seine Adresse angeben muss und dass ich sie nicht zu privaten Zwecken haben will, hihi.
– Dass alle Gäste ruhige und schöne Zimmer haben möchten, die außerdem noch einen tollen Blick bieten, aber kein Hotel der Welt nur ruhige und schöne Zimmer
mit einem tollen Blick hat. Und wenn doch, dann bestimmt nicht mitten in der Großstadt.
– Dass es kein böser Wille ist, wenn wir bei der Abreise nicht mehr auswendig wissen, in welchem Zimmer der Gast geschlafen hat und wie er heißt. Wüssten wir das alles von täglich zweihundert wechselnden Gästen, wir würden bei »Wetten, dass ..?« auftreten.
– Dass es leider nicht möglich ist, ein Zimmer vor zehn Uhr morgens zu beziehen, weil der Gast davor ja erst um elf Uhr raus muss – und dass es wahnsinnig nett wäre, wenn man dann auch später selbst um elf Uhr draußen wäre.
– Dass Frühstücksbuffet nicht bedeutet: Stullenschmiergelegenheit für den Rest vom Tag, für sich und noch drei Kollegen.
    Mein

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