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Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)

Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)

Titel: Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna K.
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normale Arbeitszeiten gab und ein Gehalt, das auf dem Konto auch eine spürbare Bewegung auslöste.
    Sehr sicher war ich mir mit meinem Entschluss, mich niemals wieder in die Fünf-Sterne-Hotellerie zu verirren. Ich hatte in meiner Zeit im Royal genug gesehen von diesen Neu- oder Altreichen, die zwar Geld, aber wenig Benehmen haben. Außerdem erschien es mir nur eingeschränkt reizvoll, in einem Haus am Empfang zu arbeiten, das so groß ist, dass es für jeden Handgriff einen eigenen Angestellten
gibt und jeder entweder nur den Check-in oder nur den Check-out betreut, als wäre es zu anspruchsvoll, die Sätze »Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt« und »Ich hoffe, Sie hatten einen angenehmen Aufenthalt« auseinanderzuhalten. Von drei Sternen, so wie damals im Central, erwartete ich nur Chaos und Überarbeitung. Vielleicht, dachte ich, liegt das Glück ja in der Mitte, in einem gediegenen Vier-Sterne-Haus, das keine neurotisch gestörten Emporkömmlinge anzieht.
    Jobs gibt es immer. In der Hotellerie ist die Fluktuation enorm, dauernd schmeißt einer hin und hat »die Nase voll«. Die Kunst ist es, aus der Vielzahl der Stellenanzeigen diejenige herauszusuchen, hinter der sich ein halbwegs seriöser Job verbirgt. Es ist nie verkehrt, die Anzeigen langfristig zu betrachten. Wenn ein Hotel immer wieder inseriert, obwohl es nicht zu den Großen gehört, kann man ein Bierchen oder zwei darauf verwetten, dass in dem Laden die Fetzen fliegen. Man hört sich natürlich auch unter den Hotelkollegen um. Aber in Berlin gibt es viel zu viele Hotels, als dass man über jedes eine Insider-Information bekommen könnte.
    Ich ging also die Zeitungsannoncen durch und bewarb mich bei zwei Vier-Sterne-Hotels, die beide weder zu groß noch allzu luxuriös wirkten und mir »eigenständiges Arbeiten im Front-Desk-Bereich« versprachen. Vom Diamant Hotel, über das ich bis auf die Infos von der Internetseite nichts wusste, bekam ich zuerst eine Einladung.
    Das Vorstellungsgespräch dauerte keine halbe Stunde, dann wurde ich Empfangssekretärin im Hotel Diamant.
Der Chef war sichtlich erfreut zu hören, dass ich gerade auf einem Schiff gearbeitet hatte. Auf einem Schiff, das weiß jeder in der Hotelbranche, zählt niemand die Überstunden.
    Ich war guter Dinge, was das Diamant anbelangte. Als ich an meinem ersten Tag in die Lobby trat, kam mir eine Frau entgegengeeilt. Sie strahlte mich an, als habe sie schon seit Stunden auf mich gewartet und sei erleichtert, mich nun wohlbehalten hier begrüßen zu können. Die Frau war um die vierzig, trug eine graue Polyester-Hose, die ihr viel zu groß war, und eine Weste in demselben Grau. »Herzlich willkommen im Diamant Hotel, schön, dass Sie da sind. Was kann ich für Sie tun?«
    Ich blickte mich irritiert um. »Äh.« Ich fürchte, das war wirklich mein erstes Wort. »Ich bin Anna. Ich fange heute an.« Die auf diese Aussage folgende Dunkelheit hätte kein Flutlicht erhellen können. Die Lampen gingen aus, das Service-Lächeln verschwand und übrig blieb meine neue Kollegin, Frau Küttner. Sie wies mir einen Platz in der Sitzgruppe zu. Ich sei zu früh, es würden noch zwei andere Neue kommen, ich solle bitte nicht im Weg stehen.
    Eine gute Stunde später trug auch ich diese graue Hose mit Karottenschnitt, zu weit am Hintern, zu eng an den Waden. Die dazugehörige Weste war ein bisschen zu klein und der mittlere Knopf spannte bedrohlich. Schön, dachte ich, in dem Outfit wird man sicher von keinem Typ mehr dumm angemacht. Als mich Frau Küttner vom Umziehen abholte, fragte sie mich wie nebenbei: »Bist du eigentlich aus dem Westen oder aus dem Osten?«
    Ich war ein bisschen erstaunt, denn als die Mauer fiel, war ich kaum in der Schule. Was sollte diese Frage? »Steglitz«, antwortete ich, in der Hoffnung, sie würde das als Andeutung darauf verstehen, dass mir das mit dem Osten und Westen nicht mehr so wichtig war.
    Frau Küttner schnaubte. »Also Westen!«, sagte sie. Ach, dachte ich, da kennt sich aber jemand gut aus in Berlin. Ich schwieg. Als sie merkte, dass für mich der Ost-West-Dialog keinen rechten Reiz hatte, sagte sie, mit einer Spur von Triumph in den Stimme: »Na, dann mach dich mal auf was gefasst.« Pause. »Du bist hier nämlich die Einzige.« Ich folgte ihr schweigend an den Empfang.
    Dass in so einem Haus an einem Tag gleich drei neue Leute anfangen, war kein besonders gutes Zeichen. Dass ich nach einer Stunde schon der Sonderling unter den Neuen war, erst recht

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