Total bedient: Ein Zimmermädchen erzählt (German Edition)
eigenes Hirn litt nicht weniger an Unterforderung als das der Gäste. Die Sätze, die wir an der Rezeption aufsagten, waren immer die gleichen. Heißt es nicht von George W. Bush, der damals noch amtierte, er sei mit ein paar hundert Wörtern ausgekommen? Gegen eine Rezeptionistin war er geradezu ein rhetorisches Genie. Mein Repertoire beschränkte sich im Wesentlichen auf Folgendes:
– Herzlich willkommen im Hotel Diamant!
– Hätten Sie gerne ein Raucher- oder ein Nichtraucherzimmer?
– Darf ich Ihnen einen Tisch im Restaurant reservieren?
– Die Aufzüge befinden sich hinter der Freitreppe rechts.
– Das Frühstück findet von sechs Uhr dreißig bis elf Uhr im ersten Obergeschoss statt.
– Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt!
– Ich hoffe, es war alles zu Ihrer Zufriedenheit?
– Kommt etwas aus der Minibar dazu?
– Wie möchten Sie bezahlen?
– Ich rufe Ihnen gerne ein Taxi.
– Auf Wiedersehen, bis zum nächsten Mal!
– Gute Heimreise! Fahren Sie vorsichtig!
Außerdem sagte ich eigentlich nur noch auf alles und jedes: »Sehr gerne«. Ich machte alles sehr gerne, erfüllte noch den abseitigsten Wunsch sehr gerne und auch wenn der Gast sich beschwerte, sagte ich, dass ich »sehr gerne« weiterhelfen würde. Egal, worüber er sich beschwerte. Und es gab oft Beschwerden. Meine persönliche Statistik der beliebtesten Beschwerdegründe:
– Der Fernseher funktioniert nicht.
– Besonders beliebt bei denen, die sich nicht trauen, mit mehr als zwanzig Euro in der Tasche aus dem Haus zu gehen: Der Safe ist kaputt.
– Vor allem für Zugluftphobiker: Die Klimaanlage geht nicht aus.
– Der Fahrstuhl kommt nicht.
– Beliebt bei den Fahrern großer, teurer Autos: Zehn Euro für die Tiefgarage? Das ist ja Wucher!
– Beliebt auch bei Fahrern kleiner Autos: Ihre Einfahrt in die Tiefgarage ist zu eng! (»Wie kommen bloß die Lkws dort rein?«, dachte ich dann.)
– Ich komme nicht ins Internet.
– Es riecht nach Rauch in meinem Zimmer, glauben Sie mir, ich bin Nichtraucher, ich rieche das. Einen Raucher stört das ja vielleicht nicht, aber mich schon.
Mein liebster Beschwerdegrund für alle Ewigkeit aber wird sein: »Frau K., das Bett quietscht.« Vorgetragen mit dem tiefsten Ernst.
Ich fragte mich jedes Mal: Wie haben Sie das denn festgestellt? Hatten Sie hemmungslosen Sex auf dem Bett und dabei hat es, oh nein, gequietscht, was zum Abbruch jeder sexuellen Aktivität führte? Oder haben Sie sich tatsächlich, weil Sie ja gerade erst vor zwanzig Minuten das Zimmer bezogen haben, in voller Montur aufs Bett gelegt, ein paar Mal hin und her geruckelt und dabei festgestellt, dass das Bett lauter quietscht, als es die deutsche Betten-Lärm-Verordnung nach Bundesimmissionsschutzgesetz vorsieht? Testen Sie das immer sofort, weil Sie schon so viele schlechte Erfahrungen gemacht haben mit quietschenden Betten in anderen Hotels? Oder sind Sie einer von der ganz schlauen Sorte, der tatsächlich erst am Tag der Abreise das Quietschen bemängelt und damit ziemlich unverhohlen auf einen Rabatt hofft, weil Sie ja das Schreckliche immerhin drei Nächte lang erdulden mussten?
Wer sich gleich zu Anfang über die Betten beschwerte, den versuchte ich mit dem Hinweis zu besänftigen, dass die Betten und der Lattenrost ganz neu seien und dass ausgerechnet er oder sie das Glück hatte, auf einer der modernen Komfortmatratzen mit Komfortfederkern zu
schlafen, dass ich aber, wenn er oder sie wollte, nach einem Zimmer mit altem Bett Ausschau halten könne.
Das half meistens. Wenn es nicht half, bekamen die Gäste ein neues Zimmer – in dem natürlich die gleiche Art Lattenrost, Matratze und Bettgestell auf sie wartete.
Sehr beliebt bei Gästen ist es, wenn man sich die Beschwerde aufschreibt. Egal wohin, Hauptsache, es wird mitgeschrieben, da fühlt sich der Gast ernst genommen, es steht ja nun schwarz auf weiß da, wie übel es ihm ergangen ist.
In jedem Hotel ist festgelegt, womit die Rezeption den unzufriedenen Gast beruhigen kann: In einem Drei-Sterne-Hotel ist maximal ein Glas Sekt an der Bar zu vergeben, in teuren Hotels sind Blumen, Obstkörbe und Champagnerflaschen möglich.
In großen Häusern haben sie für diese Fälle am Empfang eine Geheimwaffe: Jeder Angestellte an der Rezeption verfügt über ein gewisses Budget, das er einsetzen darf, wenn es brenzlig wird. Wer beim Auschecken über den Service schimpft oder den Zimmermädchen noch schnell ein vergiftetes Kompliment macht (»die sind zwar alle lieb und
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