Total Control (Das Labyrinth)
Sidney nickte. »Draußen sind zwei meiner Männer. Die beiden können innerhalb von Sekunden hier drin sein.« Er schritt zur Eingangstür. »Ich muß ein paar Dinge erledigen, komme aber morgen früh wieder.« Der Agent drehte sich noch einmal zu ihr um. »Werden Sie zurechtkommen?«
»Ja.« Sidney schlang die Arme um sich.
Sawyer seufzte und lehnte sich gegen die Tür. »Ich hoffe, eines Tages kann ich Ihnen die Lösung des Falls in einem hübschen Geschenkpaket überreichen, Sidney. Das hoffe ich wirklich.«
»Sie ... Sie glauben immer noch, daß Jason schuldig ist, nicht wahr? Ich schätze, ich kann Ihnen keinen Vorwurf daraus machen. Ich weiß, daß alles ... darauf hindeutet.« Eingehend musterte sie das besorgte Gesicht des FBI-Agenten.
Abermals seufzte der kräftige Mann und wandte kurz die Augen ab. Als er Sidney wieder ansah, erblickte sie einen merkwürdigen Schimmer darin. »Sagen wir so, Sidney, allmählich hege ich gewisse Zweifel.«
Sie zeigte sich verwirrt. »An Jason?«
»Nein, an allem. Eines kann ich Ihnen versprechen: Mein oberstes Ziel ist, Ihren Mann sicher und gesund zu finden. Danach können wir alles Übrige regeln. In Ordnung?«
Leicht zitternd nickte sie. »In Ordnung.« Als er sich zum Gehen wandte, berührte sie ihn am Arm. »Danke, Lee.«
Durch das Fenster beobachtete sie, wie Sawyer zu dem schwarzen Wagen hinüberlief, in dem die beiden FBI-Agenten saßen. Er schaute zurück zum Haus, erblickte sie und winkte.
Schweren Herzens zwang sie sich, die Geste flüchtig zu erwidern. Im Augenblick plagten sie heftige Schuldgefühle wegen etwas, das sie gleich tun würde. Sie trat vom Fenster weg, schaltete alle Lichter aus, ergriff Mantel und Handtasche und rannte zur Hintertür hinaus, nur Sekunden, bevor einer von Sawyers Männern auftauchte, um diesen Bereich zu bewachen.
Nach einem kurzen Marsch durch den Wald, der an ihren Hinterhof grenzte, gelangte sie am nächsten Häuserblock an die Straße. Nach weiteren fünf Minuten eiligen Schrittes erreichte sie eine Telefonzelle. Kaum zehn Minuten später holte das Taxi sie ab.
Eine halbe Stunde danach schob sie den Schlüssel in das Sicherheitsschloß des Bürogebäudes, und die schweren Glastüren glitten auseinander. Sie rannte zu den Aufzügen.
Kurze Zeit später stieg Sidney aus dem Lift. Lautlos schlich sie den Flur im Halbdunkel der Räumlichkeiten von Tyler, Stone entlang. Die Bibliothek befand sich am Ende des Hauptkorridors. Die mit Milchglasscheiben besetzte Doppeltür stand offen. Dahinter waren die unzähligen Regale voller Bücher zu erkennen, aus denen sich die eindrucksvolle juristische Bibliothek der Anwaltskanzlei zusammensetzte. Der Raum bestand aus einer riesigen, offenen Fläche sowie mehreren Kabinen und daran anschließenden, abgeschirmten Arbeitsbereichen. Hinter einer der Trennwände befand sich eine Reihe von Computerterminals, die Anwälten und Kanzleigehilfen für juristische Nachforschungen dienten.
Sidney sah sich in der dunklen Bibliothek um, bevor sie sich hineinwagte. Kein Geräusch war zu hören, keine Bewegung zu erkennen. Dankbar stellte sie fest, daß heute kein junger Sozius die Nacht durcharbeitete. Zwei Fensterfronten an nebeneinanderliegenden Wänden des Saals wiesen auf die Straßen der Stadt hinaus, doch die Jalousien waren heruntergelassen. Niemand konnte hereinschauen.
Sidney nahm vor einem der ausgeschalteten Terminals Platz und wagte, eine Lampe anzumachen, die auf dem Computertisch neben dem Monitor stand. Sie holte die Diskette aus der Handtasche und legte sie auf den Tisch.
Binnen einer Minute war der Computer hochgefahren. Mit der Maus klickte sie die erforderlichen Befehle an, um America Online zu starten. Leicht zuckte sie zusammen, als das Modem zu piepsen und zu rumoren begann. Nachdem die Verbindung hergestellt war, gab sie Benutzernamen und Paßwort ihres Mannes ein. Stumm dankte sie Jason dafür, daß er darauf bestanden hatte, sie müßte sich beides einprägen, als sie vor ein paar Jahren den Dienst abonnierten. Heftig atmend, mit angespannten Zügen und einem mulmigen Gefühl im Magen, starrte sie auf den Bildschirm, wie ein Angeklagter, der den Schuldspruch der Geschworenen erwartet. Die Computerstimme ließ sie zusammenzucken, doch sie verkündete genau das, worauf Sidney gehofft hatte: »Sie haben Post.«
Weiter unten im Flur bewegten sich zwei Paar Füße geräuschlos auf die Bibliothek zu.
Sawyer schaute zu Jackson auf. Die beiden befanden sich im Konferenzraum des
Weitere Kostenlose Bücher