Total Control (Das Labyrinth)
relativ leicht und war mit Drei-Zoll-Magnum-Geschossen bestückt, die alles, was zwei Beine hatte, aufhalten würden. Außerdem, und das war vielleicht das Wichtigste, hatte die Waffe ein Magazin für acht Kugeln. Sidney steckte mehrere Schachteln der Magnum-Geschosse in eine Munitionstasche ihres Bruders, die sie aus einer Schublade des Schranks entnommen hatte.
Als nächstes ließ sie den Blick über die Pistolen schweifen, die an eigens in die Rückwand des Schranks geschraubten Haken neben der Gewehrsammlung hingen. In die Feuerkraft der 32er setzte sie wenig Vertrauen. Sie nahm mehrere Pistolen in die Hand und prüfte sie auf Gewicht und Handlichkeit. Lächelnd schloß sie die Finger um ein altvertrautes Stück: eine Smith-&-Wesson-Slim-Nine, mit makellosem Griff. Zusammen mit einer Schachtel 9mm-Munition steckte sie die Pistole in dieselbe Tasche wie die Munition für die Schrotflinte und sperrte den Schrank wieder ab. Danach nahm sie noch ein Fernglas von einem anderen Regal und verließ den Raum.
Als nächstes ging sie hinauf ins Elternschlafzimmer und durchstöberte ein paar Minuten den Kleiderschrank ihrer Schwägerin. Bald hatte Sidney einen Koffer voll warmer Kleidung und Schuhe zusammengestellt. Plötzlich kam ihr ein Gedanke. Sie schaltete den kleinen Fernseher im Schlafzimmer ein und sprang von Kanal zu Kanal, bis sie auf einen Nachrichtensender stieß. Gerade lief der aktuellste Bericht des Tages, und obwohl sie es erwartet hatte, verließ sie all ihr Mut, als auf dem Schirm ihr eigenes Gesicht neben einem Bild der Limousine erschien. Der Bericht war kurz, hob aber nichtsdestoweniger ihre unleugbare Schuld hervor. Ein weiterer Schock ereilte sie, als der Bildschirm sich teilte und ein Foto von Jason neben dem ihren eingeblendet wurde. Er wirkte darauf müde, und sie erkannte es als das Foto seines Sicherheitsausweises von Triton. Offenbar fanden es die Medien äußerst sensationsträchtig, Jason und Sidney als Schwerverbrecherehepaar darzustellen.
Sidney musterte ihr Gesicht auf dem Bildschirm. Auch sie sah mit den schlaff herabhängenden Haaren erschöpft aus. Jason und sie wirkten ... schuldig, schloß Sidney. Obwohl sie es nicht waren. Dennoch würde sie der Großteil des Landes in diesem Augenblick für Verbrecher halten, eine moderne Version von Bonnie und Clyde.
Mit zittrigen Knien stand sie auf und wankte, einer plötzlichen Eingebung folgend, ins Bad, wo sie sich auszog und unter die Dusche kletterte. Der Anblick der Limousine hatte sie daran erinnert, daß ihr nach wie vor Spuren jener grauenvollen Augenblicke anhafteten. Sie hatte die Badezimmertür hinter sich zugemacht und abgesperrt. Unter der Dusche ließ sie den Vorhang weit offen und wandte keine Sekunde lang der Tür den Rücken zu. Die geladene 32er lag in Reichweite.
Das heiße Wasser ließ wohlige Wärme durch ihren Körper strömen. Zufällig erhaschte sie in dem kleinen Spiegel an der Duschwand einen Blick auf ihre erschöpften, ausgemergelten Züge und erschauderte. Sie fühlte sich verbraucht und alt. Die emotionale und geistige Anspannung schlug sich allmählich auch physisch nieder. Dann biß sie die Zähne zusammen und schlug sich auf die Wangen. Sie durfte jetzt nicht aufgeben. Zwar stellte Sidney nur eine Ein-Mann-Armee dar, doch dafür war sie zum Äußersten entschlossen. Sie hatte Amy. Und niemand würde ihr je ihre kleine Tochter wegnehmen.
Nach dem Duschen zog sie sich warm an und rannte in die Diele, wo sie eine starke Taschenlampe vom Haken nahm. Ihr war plötzlich eingefallen, daß die Polizei bestimmt all ihre Bekannten und Verwandten überprüfen würde. Rasch trug sie die gesamte Ausbeute in die Garage, wo sie den dunkelblauen Landrover Discovery erblickte, eines der stabilsten Fahrzeuge, die je gebaut wurden. Mit der Hand faßte sie unter den linken Kotflügel und brachte einen Satz Autoschlüssel zum Vorschein. Ihr Bruder war wirklich schwer in Ordnung. Indem sie auf einen winzigen Knopf am Autoschlüssel drückte, schaltete sie die hochmoderne Alarmanlage des Wagens aus. Der seltsame, vogelähnliche Laut, der bei der Deaktivierung ertönte, ließ sie leicht zusammenzucken. Behutsam legte sie die Schrotflinte auf den Boden vor dem Rücksitz und breitete eine schwere Decke darüber. Die Pistolen verschwanden in der Munitionstasche, die sie unter den Vordersitz schob. Im Augenblick war keine der Waffen geladen. Dies sollte sich ändern, sobald sie ihr Ziel erreichte, und es würde so bleiben, bis dieser
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