Total Recall
noch lebende Sohn. Daran war nichts zu deuteln. Ich weiß, dass mich meine Mutter bei der Beerdigung sehr vermisst hat.
Ich war geschockt und wie gelähmt. Gleichzeitig war ich aber auf sonderbare Weise erleichtert, dass ich den Gips hatte und nicht fliegen konnte, weil ich mich immer noch bemühte, diesen Teil meines Lebens hinter mir zu lassen. Meine Art, mit der Situation fertigzuwerden, bestand darin, sie nicht an mich herankommen zu lassen und zu versuchen, weiter meinen Weg zu gehen. Aber ich wollte auch nicht, dass meine Mutter allein war. Innerhalb von nicht einmal zwei Jahren waren mein Bruder und mein Vater gestorben, und ich hatte das Gefühl, als ob sich unsere Familie bald völlig auflösen würde. Die Trauer und Verzweiflung meiner Mutter konnte ich mir wahrscheinlich gar nicht richtig vorstellen. Ich fühlte mich für sie verantwortlich. Ich war zwar erst fünfundzwanzig Jahre alt, dennoch war es nun an mir, mich um sie zu kümmern und ihr ein schönes Leben zu bieten. Mich für die vielen Tage und Jahre zu revanchieren, in denen sie für uns gesorgt hatte, für alles, was sie für uns getan hatte, als wir Kinder und Jugendliche waren.
Aber das, was sich meine Mutter am meisten wünschte, konnte ich ihr nicht geben: einen Sohn, der bei ihr in Österreich war, der Polizist wurde wie der Vater, eine Frau aus der Gegend heiratete, zwei Straßen weiter ein Haus bezog und viele Enkel zeugte. Meinen Umzug nach München hatten sie und mein Vater noch akzeptiert – München lag nur vierhundert Kilometer von Graz entfernt und war gut mit dem Zug zu erreichen. Doch jetzt wurde mir klar, wie ich meine Eltern vor den Kopf gestoßen und verletzt hatte, als ich 1968 ohne Vorankündigung nach Amerika gegangen war. Natürlich kehrte ich jetzt nicht zurück, aber ich wollte das irgendwie wiedergutmachen.
Also schickte ich meiner Mutter jeden Monat Geld und rief sie häufig an. Ich versuchte sie zu überreden, in die USA zu ziehen. Sie wollte nicht. Ich lud sie zu einem Besuch bei uns ein. Zuerst wollte sie auch das nicht, aber 1973, etwa sechs Monate nach dem Tod meines Vaters, kam sie dann doch und blieb ein paar Wochen bei mir und Barbara. Von da an kam sie jedes Jahr. Auch zu meinem Neffen Patrick wurde der Kontakt enger. Als er noch klein war, besuchte ich bei meinen Europareisen ihn, Erika und ihren Mann, der beim Militär arbeitete und liebevoll für seinen Stiefsohn sorgte. Mit etwa zehn Jahren war Patrick dann fasziniert von der Vorstellung, einen Onkel in Amerika zu haben. Er sammelte meine Filmposter, und Erika fragte nach Fan-Artikeln. Ich schickte ihm einen Dolch aus Conan und T-Shirts von Terminator und anderen Filmen und schrieb ihm Briefe, mit denen er in der Schule prahlen konnte. Als Teenager bat er mich häufiger, ihm einen Stapel signierte Autogrammkarten zu schicken. Weiß der Himmel, was er damit vorhatte. Ich unterstützte die Familie, damit er eine internationale Schule in Portugal besuchen konnte, und versprach, dass er nach Los Angeles aufs College gehen dürfe, wenn es Erika erlaubte und er weiterhin gute Noten hatte. Er wurde mein ganzer Stolz.
Obwohl aus dem Flughafen für Überschallflugzeuge nichts geworden war und Franco und ich unsere Grundstücke in der Wüste immer noch abzahlen mussten, hielt ich Immobilien nach wie vor für die einzig wahre Anlagemöglichkeit. Mit unserem Baugeschäft übernahmen wir viele Aufträge in alten Häusern, was mir wirklich die Augen öffnete. Die Eigentümer zahlten uns 10000 Dollar, um ein Haus instand zu setzen, das sie für 200000 Dollar gekauft hatten. Und dann verkauften sie es für 300000 Dollar weiter. Hier konnte man eindeutig richtig Geld verdienen.
Ich sparte, so viel ich konnte, und sah mich nach Investitionsmöglichkeiten um. Zwei Bodybuilder, die aus der Tschechoslowakei geflohen und kurz vor mir nach Kalifornien gekommen waren, hatten sämtliche Ersparnisse zusammengekratzt und sich ein eigenes kleines Haus gekauft. Das war ja gut und schön, aber sie mussten jetzt mühsam den Kredit abzahlen. Ich wollte eine Investition, die mir Geld einbringen würde, ein ganzes Apartmenthaus, und den Kredit mit einem Teil der Mieteinnahmen abzahlen. Die meisten Leute kaufen sich ein Haus, wenn sie es sich leisten können; gleich ein ganzes Apartmenthaus zu kaufen, war gewiss etwas ungewöhnlich.
Aber mir gefiel die Idee, ein Apartmenthaus zu besitzen. Ich stellte mir vor, wie ich mit einem kleineren Gebäude anfangen würde. Ich würde die beste
Weitere Kostenlose Bücher