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Total verhext

Total verhext

Titel: Total verhext Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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verdammten Dingern laufen?« fragte Magrat die Welt im allgemeinen, hüpfte auf einem Bein und zog sich den anderen Schuh vom Fuß. Dann floh sie in die Nacht.
    Der Prinz trat langsam zur Treppe und griff dort nach dem zurückgelassenen Schuh.
    Er hob ihn hoch. Dutzende von Pailletten glitzerten.
    Oma Wetterwachs lehnte sich im Schatten an die Wand. Alle Geschichten hatten einen Wendepunkt, und in dieser mußte er recht nahe sein.
    Sie verstand sich gut darauf, in das Ich anderer Personen vorzudringen, doch nun mußte sie in sich hinein. Sie konzentrierte sich. Tief nach innen, vorbei an alltäglichen Gedanken und unbedeutenden Sorgen. Noch tiefer und schneller, schneller … durch Schichten aus Nachdenken und Überlegen … unter die Krusten von Verdrängtem, in die Spalten zwischen alten Schuldgefühlen und erstarrtem Bedauern … Es blieb keine Zeit, sich darin umzusehen. Tiefer, immer tiefer, bis hin … zum silbernen Faden der Geschichte. Sie war ein Teil der Geschichte, also war die Geschichte auch ein Teil von ihr.
    Der Faden glitt an ihr vorbei. Sie griff danach.
    Sie verabscheute alles, was Schicksale vorherbestimmte, Leute zum Narren hielt und ihnen ihre Menschlichkeit nahm.
    Die Geschichte zuckte wie eine Stahltrosse hin und her. Esme Wetterwachs griff entschlossen danach.
    Einen Sekundenbruchteil später riß sie die Augen auf … Und trat vor.
    »Entschuldige bitte, Hoheit.«
    Sie riß dem Herzog den Schuh aus der Hand und hob ihn hoch über den Kopf.
    Grimmige Zufriedenheit stand in ihrem Gesicht.
    Sie ließ den Schuh fallen.
    Er zerbrach auf der Treppe.
    Tausende von Splittern sausten über den Marmor.
     
    Die Geschichte hatte sich um jene schildkrötenförmige Raum-Zeit-Struktur gewunden, die unter der Bezeichnung »Scheibenwelt« bekannt war. Jetzt erzitterte sie, löste sich und flatterte durch die Nacht, auf der Suche nach einer Fortsetzung, die ihr Halt und Nahrung gab …
     
    Auf der Lichtung bewegten sich die Bäume. Und auch die Schatten. Normalerweise bleiben Schatten reglos, wenn das Licht sich nicht bewegt. Diese Schemen waren unabhängig.
    Die Trommelschläge verhallten.
    In der folgenden Stille war nur das gelegentliche Zischen von Energie zu hören, die den hängenden Mantel umgab.
    Samstag trat vor. Grüne Funken stoben von seinen Händen, als er die Jacke überstreifte.
    Einige Sekunden lang bebte er am ganzen Leib.
    Erzulie Gogol atmete aus.
    »Du bist hier«, sagte sie. »Und du bist nach wie vor du selbst. Du bist du.«
    Samstag hob die Hände und ballte sie zu Fäusten. Manchmal zuckte ein Arm oder ein Bein, wenn die in ihm gefangene Kraft zu entkommen versuchte, aber im großen und ganzen hatte er sie nun unter Kontrolle.
    »Nach einer Weile wird’s einfacher«, sagte Frau Gogol sanft.
    Samstag nickte.
    Die Kraft gab ihm das innere Feuer zurück, welches früher in ihm gebrannt hatte, überlegte die Voodoo-Frau. Oh, er war kein besonders guter Mann gewesen – Gennua hatte nie ein Musterbeispiel für Tugend und Moral abgegeben. Aber er hat nicht behauptet, daß sich die Leute von ihm
    unterdrücken lassen wollten, dachte Erzulie. Oder daß es ihm immer nur ums Wohl seiner Untertanen ging.
    Um den Kreis knieten die Bewohner von Neu Gennua – beziehungsweise des alten Neu Gennua. Manche von ihnen verbeugten sich.
    Man konnte von Samstag nicht behaupten, daß er ein rücksichtsvoller Regent gewesen war. Es gab allerdings weitaus schlimmere Herrscher als ihn. Wenn er der Willkür und Arroganz frönte, wenn er sich schlicht und einfach irrte … Dann berief er sich nicht etwa auf heilige Unfehlbarkeit. Nein, er ließ einfach keinen Zweifel daran, daß er sich solche Dinge leisten durfte, weil er größer, stärker und gelegentlich auch gemeiner war als andere Leute. Nie behauptete er, besser zu sein. Außerdem hatte er das Volk nie zum Glück zwingen wollen. Die Unsichtbaren wußten, daß Glück keineswegs der normale Zustand der menschlichen Seele ist. Und es kann nicht von außen kommen.
    Samstag nickte erneut, zufriedener diesmal. Er öffnete den Mund, und es blitzte zwischen seinen Zähnen. Als er durch den Sumpf watete, wichen die Alligatoren hastig beiseite.
     
    In der Palastküche ging es jetzt ruhiger zu. Riesige Tabletts mit gebratenem Fleisch, Schweineköpfe mit Äpfeln im Maul, diverse Köstlichkeiten … Alles war inzwischen nach oben gebracht worden. Bei den großen Spülen klapperte es dann und wann; einige Bedienstete begannen dort mit dem Abwasch.
    Frau Nett

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