Total verhext
Frau Ogg. Ich bin ein weltberühmter Lügner.«
»Stimmt das?«
»Nein.«
»Bist du tatsächlich der beste Liebhaber auf der ganzen Scheibenwelt, oder war das ebenfalls gelogen?«
Eine Zeitlang war es still.
»Nun«, sagte Casanunda schließlich, »vielleicht bin ich nur der zweitbeste. Aber ich gebe mir Mühe.«
»Kannst du uns eine Feile oder so besorgen, Herr Casanunda?« fragte Magrat.
»Mal sehen.«
Das Gesicht verschwand.
»Wie wär’s, wenn wir uns von irgendwelchen Leuten besuchen lassen und dann mit ihrer Kleidung fliehen?« schlug Nanny Ogg vor.
»Jetzt habe ich mir mit der blöden Nadel in den Finger gestochen«, murmelte Oma Wetterwachs.
»Oder wir beauftragen Magrat, einen Wächter zu verführen«, fügte Nanny hinzu.
»Warum übernimmst du das nicht?« erwiderte die jüngste der drei Hexen und versuchte, möglichst gehässig zu klingen.
»Na schön.« Nanny lächelte. »Wenn’s unbedingt sein muß …«
»Seid endlich still«, sagte Oma. »Ich versuche gerade nachzudenken …«
Vom Fenster kam ein anderes Geräusch.
Legba zeigte sich dort.
Der schwarze Hahn spähte in die Zelle und flog dann wieder fort.
»Das Biest kommt mir echt unheimlich vor«, meinte Nanny. »Wenn ich es sehe, fallen mir sofort Salbei, Zwiebeln und Bratkartoffeln ein.«
Ihr faltiges Gesicht wurde noch etwas faltiger. »Greebo!« entfuhr es ihr. »Wo haben wir ihn zurückgelassen?« »Ach, er ist ein Kater«, sagte Oma Wetterwachs. »Kater kommen auch gut allein zurecht.«
»Er ist ein sanfter und lieber Kater«, korrigierte Nanny. »Ohne mich …« Sie unterbrach sich, als jemand begann, die Mauer einzureißen.
Eine graue Hand erschien in einem Loch und griff nach einem weiteren Stein. Es roch plötzlich nach Fluß, Sumpf und Schlamm.
Granit zerbröckelte zwischen dicken Fingern.
»Meine Damen?« fragte eine klangvolle Stimme.
»Oh, Herr Samstag, wie er leibt und lebt … Womit ich dir keineswegs zu nahe treten möchte.«
Der Zombie knurrte etwas und ging.
Jemand pochte an die Tür. Schlüssel rasselten.
»Ich glaube, wir sollten besser von hier verschwinden«, sagte Oma.
»Kommt.«
Die Hexen schoben sich durchs Loch.
Samstag stand auf der anderen Seite eines kleinen Hofs und schritt in die Richtung, aus der die Geräusche des Balls ertönten.
Etwas folgte ihm wie der Schweif eines Kometen.
»Was ist das?«
»Frau Gogols Magie«, erwiderte Oma Wetterwachs grimmig.
Hinter Samstag erstreckte sich ein Fächer aus finsterster Dunkelheit, und auf dem Weg zum Palasttor schwoll er an. Auf den ersten Blick hatte es den Anschein, als befänden sich Gestalten darin, doch in Wirklichkeit waren es nur vage Andeutungen in ständiger Bewegung. Gelegentlich formten sich Augen darin. Grillen zirpten, Moskitos summten. Es roch nach Moos und Schlamm.
»Der Sumpf«, sagte Magrat.
»Es ist die Vorstellung eines Sumpfes«, erklärte Oma. »Der eigentliche Sumpf kommt erst nachher.«
»Meine Güte.« Nanny zuckte mit den Schultern. »Nun, Ella dürfte inzwischen in Sicherheit sein, und wir befinden uns nicht mehr im Kerker. Vielleicht hat die Geschichte jetzt den Punkt erreicht, an dem wir fliehen.«
Niemand rührte sich von der Stelle.
»Die Leute im Palast sind nicht sehr nett«, meinte Magrat. »Aber sie haben keine Alligatoren verdient.«
»Bleibt ganz ruhig stehen, ihr Hexen«, erklang eine Stimme hinter ihnen. Sechs Wächter drängten sich am Loch in der Mauer zusammen.
»In der Stadt ist sicher eine Menge los«, sagte Nanny und zog noch eine Nadel aus ihrem Hut.
»Die Männer sind mit Armbrüsten bewaffnet«, stellte Magrat fest. »Gegen Armbrüste kann man nicht viel ausrichten. Projektilwaffen werden in Kapitel sieben beschrieben, und so weit bin ich noch nicht gekommen.«
»Sie können wohl kaum den Abzug betätigen, wenn sie glauben, daß ihre Hände Schwimmflossen sind«, drohte Oma.
Die Wächter kletterten durchs Loch.
Hinter ihnen fiel etwas Schwarzes lautlos von der Mauer herab.
»Na bitte«, sagte Nanny. »Ich wußte ja, daß er nicht weit sein kann.
Bleibt immer in der Nähe von Frauchen.«
Einige Wächter merkten, daß sie stolz an ihnen vorbeiblickte. Argwöhnisch drehten sie sich um.
Sie sahen sich einem großen, breitschultrigen Mann mit einer Mähne aus schwarzem Haar gegenüber. Er trug eine Augenklappe und grinste selbstbewußt.
Er stand ganz lässig und hatte die Arme verschränkt.
Der Mann wartete, bis er die volle Aufmerksamkeit der Wächter genoß, dann teilten sich seine
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