Total verhext
waren sie völlig neu gestaltet und mit vielen Spiegeln ausgestattet worden.
Nach der Audienz ging eine Zuschauerin durch die Palastküche nach draußen. Die Wächter am Tor versuchten nicht, sie aufzuhalten. Im begrenzten Kosmos ihres Lebens war sie eine bedeutende Person.
»Hallo, Frau Nett.«
Sie blieb stehen, griff in ihren Korb und holte zwei gebratene Hähnchenschenkel hervor.
»Ich habe einen neuen Erdnußüberzug ausprobiert«, sagte sie. »Eure Meinung würde mich sehr interessieren, Jungs.«
Die Gardisten nickten dankbar. Sie mochten Frau Nett. Sie konnte Geflügel in kulinarische Kunstwerke verwandeln; vermutlich freute sich das Federvieh sogar darüber, in ihrem Kochtopf zu enden.
»Und jetzt möchte ich einige Kräuter besorgen«, verkündete sie.
Die Wächter sahen ihr nach, wie sie einem dicken, entschlossenen Pfeil gleich in Richtung Marktplatz eilte, der sich direkt am Fluß befand. Dann verzehrten sie die Hähnchenschenkel.
Frau Nett hastete zwischen den Marktbuden hin und her. Bei solchen Gelegenheiten gab sie sich große Mühe, immer überaus beschäftigt zu wirken. Selbst in Gennua gab es Leute, die bereit waren, Geschichten zu erzählen. Gerade hier in Gennua. Eine Köchin war immer in Hektik, und Frau Nett vergaß nie, entsprechenden Vorstellungen gerecht zu werden.
Sie achtete darauf, daß Mehl an ihren Armen klebte. Wenn sie die Nähe von Argwohn spürte, sagte sie »Ach!« und »Herrje!« Bisher schien es gut zu klappen.
Sie hielt nach einem Zeichen Ausschau. Und dann sah sie es. Auf dem Dachpfosten einer großen Bude, vor der Käfige mit Hühnern, Schnatterern, Drehkranichen und anderen geflügelten Geschöpfen standen, hockte ein schwarzer Hahn. Deutlicher Hinweis darauf, daß die Voodoo-Frau daheim war.
Sie hatte den Hahn gerade erst gesehen, als er den Kopf drehte und ihren Blick erwiderte.
Etwas abseits von den Buden erhob sich ein kleines Zelt, das den vielen anderen auf dem Marktplatz ähnelte. Davor blubberte es in einem großen Topf, unter dem ein Holzkohlefeuer brannte. Schüsseln standen daneben, und eine Schöpfkelle lag bereit. Ziemlich viele Münzen lagen davor auf einem Teller. Der große Topf enthielt etwas, das hier in Ermangelung eines besseren Ausdrucks als »Suppe« bezeichnet werden soll und das Ergebnis von Frau Gogols Kochkünsten darstellte. Die Passanten bedienten sich selbst mit Hilfe der Schöpfkelle, und für ihre Portionen bezahlten sie einen Preis, den sie für angemessen hielten. Der Teller bot kaum genug Platz für das Geld.
Die dicke Flüssigkeit im Topf sah wenig appetitanregend braun aus. Frau Nett füllte eine Schüssel und wartete. Frau Gogol verfügte über gewisse Talente.
Es dauerte nicht lange, bis eine Stimme aus dem Zelt drang. »Was gibt’s Neues, Frau Nett?«
»Heute hat’s den Spielzeugmacher erwischt«, sprach sie in die leere Luft. »Und gestern warf sie dem alten Wirt Devereaux vor, nicht dick zu sein und kein rotes Gesicht zu haben. Damit sind’s schon vier in diesem Monat.«
»Komm herein, Frau Nett.«
Dunkelheit und Hitze erwarteten sie im Inneren des Zelts. Ein weiteres Feuer brannte dort, unter einem weiteren Topf. Frau Gogol beugte sich darüber und rührte um. Sie deutete auf einen Blasebalg.
»Sorg dafür, daß die Kohlen heller und heißer glühen«, sagte sie. »Dann werden wir sehen, wie die Lage ist.«
Frau Nett kam der Aufforderung nach. Normalerweise verzichtete sie auf Magie – abgesehen von der, die man benötigt, um Brot aufgehen zu lassen oder eine Mehlschwitze zu machen –, aber sie respektierte jene Personen, die davon Gebrauch machten. Das galt insbesondere für Frau Gogol.
Die Holzkohle glühte erst rot und dann weiß. Die dicke Flüssigkeit im Topf blubberte lauter und heftiger. Frau Gogol spähte in den aufsteigenden Dampf.
Eine Zeitlang geschah nichts.
»Frau Gogol?« fragte die Köchin besorgt.
»Ich versuche zu erkennen, was passieren wird«, erklärte die Voodoo-Frau. Ihre Stimme verwandelte sich in das unartikulierte Murmeln der übersinnlich Begabten.
Frau Nett starrte ins brodelnde Braun.
»Kann sich jemand auf eine Mahlzeit freuen, die zum großen Teil aus Garnelen besteht?« fragte sie.
»Hast du das Stück Eibisch gesehen?« erwiderte Frau Gogol. »Und hast du beobachtet, wie dort Krabbenbeine an die Oberfläche gestiegen sind?«
»Mit Krabbenfleisch knauserst du nie«, kommentierte Frau Nett.
»Siehst du, daß sich bei den Okuh-Blättern besonders große Blasen bilden?
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