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Total verhext

Total verhext

Titel: Total verhext Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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daß sie die Gestalt zu wechseln versuchte. Ein solches Verhalten geziemte sich nicht für eine Maus mit Flügeln, fand er.
    Seine Pfote drückte fester zu. Endlich hatte Greebo etwas gefunden, womit er spielen konnte.
     
    Gennua war eine im wahrsten Sinne des Wortes märchenhafte Stadt. Die Leute lächelten immerzu und freuten sich den ganzen Tag über. Sie freuten sich, weil sie auch noch den nächsten Tag erleben wollten.
    Ihre Freude verdankten sie Lilith. Nun, manche Bewohner glaubten vielleicht, auch damals glücklich gewesen zu sein, bevor sie kam und den alten Baron durch den neuen Herzog ersetzte. Aber in jenem Fall handelte es sich um ein zufälliges, ungeordnetes Glück. Gerade deshalb war es Lilith so leicht gefallen, alles unter Kontrolle zu bringen.
    Sie lehnte das Zufällige ab. Für sie mußte alles Struktur haben.
    Und sie glaubte, daß man ihr eines Tages danken würde.
    Natürlich gab es gelegentlich Probleme, meistens von Leuten verursacht, die einfach nicht wußten, wie man sich richtig benahm. Sie gab sich alle Mühe für sie. Sie regierte ihre Stadt nach bestem Wissen und Gewissen. Sie sorgte dafür, daß ihr Leben lebenswert war, daß jede einzelne Stunde ihrer täglichen Existenz von Glück erfüllt war … Und dann, aus keinem ersichtlichen Grund, begehrten sie auf.
    Wächter standen an den Wänden des Audienzsaals, in dem sich diesmal ein großes Publikum eingefunden hatte. Eigentlich wurden die Audienzen vom Herrscher veranstaltet, aber Lilith fand großen Gefallen daran, den Leuten beim Beobachten zuzusehen. Nach ihrer Ansicht sagten Beispiele mehr als viele Worte. Das galt erst recht für Gesetze und ihre Durchsetzung.
    In Gennua gab es kaum mehr Kriminalität. Zumindest keine Kriminalität in dem Sinne. Probleme wie Diebstahl wurden schnell gelöst und erforderten keine nennenswerten richterlichen Aktivitäten. Für Lilith waren Verbrechen gegen das Muster der Geschichte weitaus bedeutsamer. Manche Leute begriffen einfach nicht, wie sie sich verhalten mußten.
    Lilith hielt dem Leben einen Spiegel vor und schnitt alle nicht passenden Stücke ab …
    Der Herzog hing schlaff auf seinem Thron und ließ ein Bein über die Armlehne baumeln. Er hatte sich noch nicht an das richtige Sitzen gewöhnt.
    »Was hat der Bursche angestellt?« fragte er und gähnte. Zumindest darin war er gut: Es wirkte immer sehr eindrucksvoll, wenn er den Mund weit öffnete.
    Ein kleiner alter Mann kauerte zwischen zwei Wächtern.
    Es gibt immer Leute, die sich als Wächter verdingen, selbst an Orten wie Gennua. Immerhin bekamen sie eine hübsche Uniform: blaue Hose, rote Jacke, der hohe schwarze Hut mit einer Kokarde geschmückt.
    »Aber ich … ich kann nicht pfeifen«, brachte der Alte mit zitternder Stimme hervor. »Ich … ich wußte nicht, daß es eine notwendige Voraussetzung ist …«
    »Du bist Spielzeugmacher« stellte der Herzog fest. »Spielzeugmacher pfeifen und singen den ganzen Tag über.« Er sah zu Lilith, die seine Worte mit einem Nicken bestätigte.
    »Ich kenne gar keine … L-lieder«, sagte der Angeklagte. »Nie hatte ich Gelegenheit, irgendwelche L-lieder zu lernen. Ich weiß nur, wie man Spielzeug herstellt. Sieben Jahre lang bin ich in die Lehre gegangen, bevor ich den kleinen Hammer selbst in die Hand nehmen durfte, jawohl …«
    »Hier heißt es …«, begann der Herzog und ahmte den Tonfall eines Staatsanwalts nach, der aus der Anklageschrift zitiert. »Es heißt hier, daß du den Kindern keine Geschichten erzählst.«
    »Niemand hat mir gesagt, daß es erforderlich ist, den Kindern Ggeschichten zu erzählen«, sagte der Spielzeugmacher. »Ich stelle einfach nur Spielzeug her. Spielzeug. Damit kenne ich mich aus. Mit Spielzeug. Weil ich ein guter Spielzeugmacher bin.«
    »Du kannst kein guter Spielzeugmacher sein, wenn du den Kindern nie Geschichten erzählst«, meinte Lilith und beugte sich vor.
    Der Alte blickte zu ihrem verschleierten Gesicht. »Ich kenne keine«, sagte er. »Du kennst nicht eine einzige Geschichte?« »Ich könnte den K-kindern erzählen, wie man Spielzeug herstellt«, bot sich der Alte an.
    Lilith lehnte sich zurück. Der Schleier verbarg ihren Gesichtsausdruck.
    »Die Volksgardisten sollten dich fortbringen«, kam es von ihren Lippen. »Zu einem Ort, wo du lernen kannst zu singen. Vielleicht kannst du später sogar richtig pfeifen. Das wäre doch schön, oder?«
    Die Verliese des alten Barons hatten keinen besonders guten Ruf genossen. Auf Liliths Anweisung hin

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