Total verhext
Pflastersteine«, bemerkte Nanny. »Wer hat jemals von einer Straße gehört, die aus gelben Pflastersteinen besteht?«
Magrat und Oma Wetterwachs standen mit verschränkten Armen und blickten in verschiedene Richtungen.
»Nun, gibt der Landschaft ein wenig Farbe«, meinte Nanny. Am Horizont funkelte Gennua, von üppigem Grün umgeben. Auf dem Weg dorthin führte die Straße durch ein breites Tal mit kleinen Dörfern. Ein Fluß schlängelte sich an den Feldern vorbei.
Der Wind zupfte an den Röcken der Hexen.
»Fliegen können wir jetzt nicht mehr«, sagte Nanny und gab sich Mühe, die Konversation von drei Personen zu erledigen.
»Also wandern wir.« Selbst in einer unschuldigen Seele wie der Nanny Oggs liegt Gehässigkeit verborgen, und sie fügte hinzu: »Und wir singen unterwegs, nicht wahr?«
»Mir steht es gewiß nicht zu, darüber zu befinden, was andere Leute tun und lassen«, erwiderte Oma. »Ich erlaube mir in dieser Hinsicht keine Meinung. Aber vielleicht gibt es Personen mit Zauberstäben und hehren Ideen, die etwas zu sagen haben.«
»Ha!« mache Magrat.
Sie setzten sich wieder in Bewegung und schritten hintereinander über die gelbe Straße. Nanny ging in der Mitte und bildete eine Art mobilen Puffer.
»Einige Leute benötigen mehr Herz«, wandte sich Magrat an die Welt im großen und ganzen.
»Einige Leute benötigen mehr Verstand«, erwiderte Oma Wetterwachs und starrte dabei zum bewölkten Himmel empor.
Im Anschluß an diese Worte griff sie nach ihrem Hut, um zu verhindern, daß ihn der Wind fortwehte.
Was mich betrifft … , dachte Nanny. Ich könnte jetzt einen stärkenden Schluck gebrauchen.
Drei Minuten später fiel ihr ein Bauernhaus auf den Kopf.
Als das Unglück geschah, war der Abstand zwischen den Hexen gewachsen. Oma Wetterwachs stapfte vorn, und Magrat schmollte hinten. Nanny befand sich in der Mitte.
Nachher wies sie darauf hin, nicht einmal gesungen zu haben. Im ersten Augenblick schritt eine kleine, dicke Hexe über die Straße, und im nächsten stand dort ein Bauernhaus aus knarrendem Holz.
Oma Wetterwachs drehte sich um und sah eine schiefe Tür, die dringend einen neuen Anstrich benötigte. Magrat prallte fast gegen die graue Hintertür.
Es war still – abgesehen von einem nachhaltigen Knacken und Knirschen.
»Gytha?« fragte Oma.
»Nanny?« erkundigte sich Magrat.
Sie öffneten die beiden Türen.
Es war ein einfaches Haus, das unten zwei Zimmer hatte, voneinander getrennt durch einen Flur, der die vordere mit der hinteren Tür verband. In der Mitte jenes Korridors hockte Nanny Ogg, umgeben von den Splittern morscher Dielen – der spitze Hut reichte ihr nun bis zum Kinn. Von Greebo fehlte jede Spur.
»Was’n los?« fragte Nanny. »Was’n los?«
»Ein Bauernhaus ist dir auf den Kopf gefallen«, erklärte Magrat.
»Oh, so was«, erwiderte Nanny Ogg benommen.
Oma packte sie an den Schultern.
»Gytha?« kam es besorgt über ihre Lippen. »Wie viele Finger zeige ich dir?«
»Ich kann überhaupt keine Finger sehen. Alles ist dunkel.«
Magrat und Oma griffen nach der breiten Krempe, zogen und schraubten ihr den Hut vom Kopf. Nanny blinzelte.
»Die Verstärkung aus Weidenholz«, sagte sie, als der Hut mit leisem Knistern zur ursprünglichen Form zurückkehrte – es sah aus wie ein wiederauferstandener Regenschirm. »Ein Hut mit Weidenholzverstärkung widersteht Hammerschlägen, wegen den kleinen Streben und so. Leiten die Kraft ab. Ich schreibe Herrn Vernissage und danke ihm.«
Magrat sah sich verwirrt im kleinen Bauernhaus um.
»Es ist einfach so vom Himmel herabgefallen!«
»Vielleicht hat irgendwo ein Tornado oder so gewütet«, spekulierte Nanny Ogg. »Beziehungsweise ein Wirbelsturm. Erst reißt er das Haus hoch, und später läßt er es an einem ganz anderen Ort fallen. Mit dem Wind kann’s sehr seltsam zugehen. Erinnert ihr euch an den Orkan im letzten Jahr? Eine meiner Hennen legte viermal das gleiche Ei.«
»Sie faselt«, sagte Magrat. »Nein, es ist mein ganz normales Gerede«, entgegnete Nanny. Oma Wetterwachs blickte in ein Zimmer. »Vielleicht finden wir etwas zu essen und zu trinken.«
»Ich glaube, ich könnte mich jetzt dazu überwinden, etwas Brandy zu schlucken«, ließ sich Nanny rasch vernehmen.
Magrat spähte die Treppe hoch.
»Ha-hallo?« fragte sie mit der halb erstickt klingenden Stimme eines Besuchers, der zwar bemerkt werden möchte, es jedoch für taktlos hält, laut zu rufen. »Ist hier jemand?«
Nanny blickte unter
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