Total verhext
verzweifelten Mut von Leuten, die im Licht ihrer brennenden Häuser tanzen.
»Nun, mir scheint …«, begann sie.
»Ja?« zischte Oma.
»Mir scheint, daß wir gar keine richtige Magie anwenden, nur, äh, Kopfologie«, sagte Magrat. »Richtige Magie ist etwas anderes. Wir beschränken uns darauf, Personen anzustarren und zu überlisten, indem wir ihre Leichtgläubigkeit ausnutzen. Das habe ich nicht erwartet, als ich beschloß, Hexe zu werden …«
Oma Wetterwachs zog jedes Wort in die Länge, als sie antwortete: »Und wer behauptet, daß du inzwischen Hexe geworden bist?«
»Äh, es wird immer windiger«, warf Nanny ein. »vielleicht sollten wir …«
»Was hast du gesagt?« entfuhr es Magrat.
Nanny Ogg hob die Hand vor die Augen. Jemanden aufzufordern, einen Satz zu wiederholen, den man ganz offensichtlich verstanden hatte und der einen zornig machte, wurde im Lexikon des Streits »Alarmstufe Rot« genannt.
»Ich habe laut genug gesprochen, oder?« erwiderte Oma. »Es erstaunt mich, daß du Probleme damit hast, meine Worte zu verstehen. Ich habe sie ganz deutlich gehört.«
»Ein Sturm scheint aufzukommen«, verkündete Nanny. »Ich schlage vor …«
»Nun, vielleicht kann ich mir genug rücksichtslose Selbstgefälligkeiten und schlechte Laune aneignen, um eine Hexe zu werden«, sagte Magrat. »Mehr ist doch nicht nötig, oder?«
»Ich soll selbstgefällig und rücksichtslos sein?«
»Dir gefallen Leute, die Hilfe brauchen, denn sie sind schwach, und dadurch fühlst du dich stark! Was kann’s schaden, ein wenig Magie zu verwenden?«
»Es bleibt nie bei ›ein wenig‹, du dummes Kind!«
Magrat trat einen Schritt zurück und errötete. Sie griff in ihre Tasche, zog eine Broschüre daraus hervor und hielt sie hoch wie eine Waffe.
»Ich mag dumm sein«, empörte sie sich, »aber wenigstens versuche ich, das eine oder andere zu lernen! Weißt du überhaupt, wozu sich Magie einsetzen läßt? Sie dient nicht nur dazu, Trugbilder zu schaffen und zu schikanieren! Dieses Buch erzählt von Personen, die auf glühenden Kohlen gehen und die Hände ins Feuer strecken können, ohne sich zu verbrennen!«
»Alles nur billige Tricks!« fauchte Oma.
»Nein! Es gibt wirklich Leute, die dazu imstande sind!«
»Unmöglich. Niemand geht über glühende Kohlen oder streckt die Hände ins Feuer, ohne sich große Brandblasen zu holen!«
»Die Betreffenden haben alles unter Kontrolle! Richtige Magie ist mehr als nur das Wissen, wie man seine Mitmenschen manipuliert!«
»Ach? Du möchtest glitzernden Feenstaub verteilen und dauernd irgendwelche Wünsche erfüllen, wie? Du hältst es für sinnvoll, die Leute glücklicher zu machen, oder?«
»Das muß doch möglich sein! Welchen Sinn hätte sonst alles? Wie dem auch sei … Als ich euch in Desideratas Hütte überraschte, habt ihr dort nach dem Zauberstab gesucht, nicht wahr?«
»Ich wollte vermeiden, daß er in die falschen Hände fällt!«
»Vermutlich sind nur deine Hände die richtigen, wie?«
Oma und Magrat starrten sich an.
»Steckt denn überhaupt keine Romantik in dir?« jammerte die jüngere Frau.
»Nein«, antwortete die alte Hexe. »Glitzernder Feenstaub nützt überhaupt nichts, und wenn man den Leuten Wünsche erfüllt, werden sie träge und bemühen sich nicht mehr selbst. Und wer seine Hand ins Feuer streckt, verbrennt sich«, betonte Oma noch einmal. »Wenn du eine Hexe sein willst, Magrat Knoblauch, solltest du drei Dinge lernen. Du mußt wissen, was real ist, was zum Unwirklichen gehört und worin der Unterschied besteht …«
»Und laß dir immer Namen und Adresse des jungen Mannes geben«, sagte Nanny. »Bei mir hat’s jedesmal geklappt. War nur ein Scherz«, fügte sie rasch hinzu, als sie sich von zwei Blicken durchbohrt fühlte.
Der Wind am Waldrand wehte immer heftiger und wirbelte Laub durch die Luft.
»Wenigstens haben wir den richtigen Weg eingeschlagen.« Nanny trachtete noch immer danach, ihre beiden Begleiterinnen abzulenken. »Seht nur das Schild dort. ›Gennua‹ steht darauf geschrieben.«
Tatsächlich stand da ein alter, wurmstichiger Wegweiser, und das eine Ende der Querlatte formte einen Zeigefinger.
»Und der Pfad ist jetzt eine Straße«, plapperte Nanny. Die Hitze des Streits kühlte ein wenig ab, wenn auch nur deshalb, weil Oma und Magrat schwiegen. Ihr Schweigen bedeutete nicht nur die Abwesenheit von gesprochenen Worten. Diese Stille reichte bis in die gräßliche Sphäre des Wir-reden-nicht-mehr-miteinander.
»Gelbe
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