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Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)

Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)

Titel: Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Flipo
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Woche.
    Sonntag, 27 . Januar
    Sie schaute erst gegen zehn Uhr wieder auf ihr Handy, kurz nachdem sie zu Hause angekommen war. Sie fand dort eine Nachricht von Lieutenant Monot vor: Er bat um Rat. Viviane rief ihn an und ermahnte sich, nett zu ihm zu sein. Nach einem solchen Tagesanbruch war sie ihm wenigstens das schuldig.
    » Commissaire, entschuldigen Sie, dass ich Sie am Sonntag störe, aber eben rief mich Saint-Croÿ an: Er hat Angst. Wir haben den ganzen Samstagnachmittag über das Sonett von Baudelaire geredet; das war sehr interessant, ich muss Ihnen das erzählen.«
    » Bleiben Sie beim Thema. Wovor hat er Angst?«
    » Man hat ihn heute Morgen mehrmals angerufen, und immer wenn er abnahm, wurde aufgelegt. Es beunruhigt ihn. Er lebt mit seinen beiden studierenden Kindern und mit seinem Hausmädchen zusammen, aber sonntags ist er alleine.«
    » Hat er keine Frau?«
    » Er ist Witwer. Vielleicht ist es die Einsamkeit, die ihm Angst macht. Heute Abend werden seine Kinder und das Hausmädchen wieder da sein. Bis dahin bittet er um Polizeischutz. Also ich an seiner Stelle…«
    » Das ist sehr freundlich von Ihnen, Monot. Sie werden ihn also beschützen. Dann fahren Sie mal los.«
    Es lag ein wenig Traurigkeit im Ja des Lieutenant, Viviane spürte einen Anflug von schlechtem Gewissen.
    Sie nahm ein leichtes Mittagessen zu sich und fuhr zum Bois de Boulogne. Fünfzehn Kilometer strammes Gehen, mit kurzen Phasen langsamen Laufens, um zu schwitzen und die Niederträchtigkeiten ihres Berufes auszuschwitzen. Das war ihre wöchentliche Hygienemaßnahme.
    Am frühen Abend, nach ihrem heißen Bad, hörte sie die Partiten von Bach, aß einen Salat aus gegrillten Paprika, eine Scheibe Lachs und einen Joghurt.
    Wieder rief Monot an. » Es ist nichts vorgefallen. Das Hausmädchen ist wieder da. Ich gehe.«
    » Tut mir leid, dass Ihr Sonntag umsonst draufgegangen ist.«
    » Nein, nicht umsonst, Commissaire, dieser Typ ist faszinierend. Wir haben an dem Sonett gearbeitet…«
    » Das erzählen Sie mir dann morgen. Guten Abend.«
    Viviane griff nach ihrer Prison Break -Box, die Fabien für sie aufgenommen hatte, und sah sich zwei Folgen an. Mitten in der zweiten Folge klingelte es: schon wieder Monot! Sie kam erst gar nicht dazu, eklig zu werden.
    » Commissaire, eben rief Saint-Croÿ mich an: Man hat versucht, ihn zu ermorden. Ich bin auf dem Weg zu ihm.«
    Sie konnte ihm nicht mehr antworten, er hatte bereits aufgelegt. Sie hätte ihm sagen wollen, er solle vorsichtig sein, aber sie war nicht seine Mama. Sie fuhr ihm hinterher.
    Der Hauseingang war eisig und in Dunkelheit getaucht. Man konnte das Treppenhaus gerade so erahnen, es wurde von einer geöffneten Etagentür nur schwach beleuchtet. Viviane hörte Monots Stimme im zweiten Stock: » Monsieur Saint-Croÿ, machen Sie auf! Lieutenant Monot hier, von der Kripo, Sie haben nichts zu befürchten!«
    Monot machte das gut: autoritär, beruhigend, sehr kripomäßig. Viviane rief ihm zu, dass sie auf dem Weg sei, und rannte die Treppe hinauf. Auf halber Treppe kam sie an einem weit geöffneten Fenster vorbei, dann stieß sie auf dem Treppenabsatz auf Monot. Louis Saint-Croÿ hatte geöffnet und stand im Eingang. Etwas dahinter, Joa, in Ausgehkleidung, besorgt.
    In immer emsigerer Kripomanier fragte Monot: » Sind Sie verletzt?«
    Saint-Croÿ und Joa verneinten das gleichzeitig.
    » Was ist passiert?«
    Der Autografensammler schloss die Tür hinter ihnen und bedeutete den Polizisten, ihm zu folgen. » Komm mit uns, Joa«, sagte er leise.
    Viviane und ihr Lieutenant gingen durch den Flur, der eine Biegung machte, bevor er ins Arbeitszimmer mündete. Im Fenster am Schreibtisch war ein schönes Loch, wie ein Spinnennetz. Im Vorbeifliegen hatte die Kugel einige Glassplitter auf dem Tisch hinterlassen, bevor sie eine Vitrine der Bibliothek zersplitterte. Man hatte vom Treppenhaus gegenüber geschossen, das Buntglasfenster stand noch offen.
    » Ich saß vor dem Fernseher, im Wohnzimmer. Joa ist seit etwas mehr als einer Stunde zu Hause. Sie war gerade gekommen, um mir zu sagen, dass keine Milch mehr da sei– ich trinke jeden Abend ein Glas vor dem Schlafengehen. Sie ist losgegangen, um bei dem arabischen Lebensmittelhändler in der Rue Bayard welche zu kaufen, dann ist sie wiedergekommen.«
    » Als ich wiederkam, ist mir aufgefallen, dass im Hauseingang und im Treppenhaus kein Licht mehr ging«, fügte Joa hinzu.
    » Ja, dieses Detail könnte wichtig sein«, fuhr Saint-Croÿ fort. »

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