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Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)

Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)

Titel: Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Flipo
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sprechen«, fuhr sie fort, » der junge Mann, der gestern Abend im Fernsehen war.«
    Zwanghaft und desillusioniert zog Viviane ihre Schublade auf: Es waren keine Schokoriegel mehr da. Nicht einmal ein Twix oder ein Bounty. » Ich bin untröstlich, es war nicht vorgesehen, dass Lieutenant Monot Interviews gibt, ich werde es Ihnen erklären.«
    » Sie müssen mir gar nichts erklären. Das Unvorhergesehene hat alles sehr schön hingebogen. Ihr Lieutenant Monot ist wunderbar, mit seinem unwiderstehlichen Äußeren und seinem Brad-Pitt-Lächeln. Unser Minister war ganz hingerissen, ich auch, wir haben mit dem persönlichen Referenten darüber beraten: Wir machen aus ihm den Vorzeige-Bullen der neuen Polizei. Er bricht mit allen Klischees vom großväterlichen Kommissar oder dem Muskelprotz. Feinsinnig, gebildet, haben Sie gesehen, wie er sein Sonett vorgetragen hat? Das wird dem in die Jahre gekommenen Image der Polizei einen ganz neuen Schliff geben.«
    Viviane holte Luft und kam überein, dass Monot in der Tat ganz gut Gedichte vortragen konnte, das sei überhaupt das, was er am besten könne.
    » Aber Commissaire, jetzt spotten Sie nicht. Er ist wirklich sehr gut: Er wird unsere Galionsfigur in dem Fall um das Gedicht werden.«
    » Das ist ein bisschen voreilig, wir sind noch nicht sehr weit…«
    » Genau deswegen habe ich für Sie eine Pressekonferenz organisiert. Montag, achtzehn Uhr, im Ministerium. Für den jungen Monot: himmelblaues Ralph-Lauren-Hemd und schwarzes Jackett, wie neulich in den Spätnachrichten. Für Sie: Was Sie wollen, nicht zu elegant, damit der Kontrast besser hervorsticht.«
    Die Kommissarin legte auf und rief Monot: » Schlechte Nachricht: Ihr Antrag auf Versetzung ist abgelehnt worden.«
    Er wollte sich schon bei ihr bedanken, aber sie fiel ihm ins Wort: » Gehen Sie mir zwei Kinder-Bueno-Riegel holen, zur Feier des Tages!«
    Sie blickte auf ihr Handy: eine Nachricht von Gérald Tournu. Er wundere sich, er habe am Donnerstag angerufen, wie vereinbart, und trotzdem niemanden erreicht. Dieses Wochenende würde er nicht zu sprechen sein, er fahre zum Surfen nach Biarritz. Sie schickte ihm eine SMS und bestellte ihn für Mittwoch, den 30., am späten Nachmittag zu sich. Der Typ konnte hilfreich sein, denn der Bericht der Spurensicherung war da: Die Fingerabdrücke auf der Tasche waren nicht zu gebrauchen. Dieser ganze Fall fing wie eine Gleichung mit zu vielen Unbekannten an.
    In dieser Nacht fand Viviane kaum Schlaf. Ihr Leben war stumpfsinnig, sinnlos. Das Einzige, was sie erfüllte, war die Arbeit. Und jetzt machte man aus dieser Arbeit eine Show, ein Spiel für Marketingintellektuelle, die ihre Nase noch nie in ein Kommissariat gesteckt hatten; die noch nie den guten Geruch von Füßen und Schweiß nach einer langen Beschattung geschnuppert hatten; die nicht die Atmosphäre bezwungener Angst kannten, wenn man losging, um eine Geiselnahme zu beenden, und auch nicht das Leid, wenn man einen für immer übel zugerichteten Jungen einsammeln musste, den ein Schläger auf dem Gewissen hatte, dem es in einigen Jahren noch immer blendend gehen würde. Viviane akzeptierte dieses ganze Elend, die Hässlichkeit. Aber sie schminken, um sie in Szene zu setzen, sie dem gierigen Blick der Medien aussetzen, das war obszön.
    Samstag, 26 . Januar
    Samstagmorgen empfing sie einige chinesische Händler von der Avenue de Choisy, die von neuen, brutaleren Erpressungsversuchen als den vorherigen berichteten. Kaum war die eine Bande hinter Schloss und Riegel, tauchte auch schon die nächste auf, noch fordernder und gewalttätiger als die alte. Sie hatte Verständnis für die Vorwürfe der chinesischen Händler: Ja, die Polizei hätte die erste Bande nicht festnehmen sollen, mit der wäre es für alle ruhiger gewesen.
    Etwas später kündigte man ihr den Anruf eines gewissen Louis Saint-Croÿ an. Er drängte in der Sache des Sonetts auf einen Termin mit der Kommissarin, um ihr eine wichtige Information zu übermitteln. Sie schrieb sich die Adresse auf und rief Monot an, der in der Sache Beaugrenelle unterwegs war. » Wir treffen uns in einer halben Stunde in der Rue Robert-Étienne 10.«
    » Robert-Étienne? Meinen Sie nicht Robert-Estienne? Robert Estienne, Sie wissen doch, der Drucker und Lexikograf.«
    » Ich weiß gar nichts, ist aber Ecke Rue Marbeuf, in der Nähe des Gebäudes von Europe 1. Schreiben Sie mit, ich gebe Ihnen den Türcode durch.«
    Viviane machte sich auf den Weg, fest entschlossen Monot

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