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Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)

Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)

Titel: Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Flipo
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Staatsanwalt zu informieren.«
    Er zögerte einen Moment, als habe er etwas falsch gemacht: » Ich habe seine Nummer nicht in meinem Handy gespeichert. Könnten Sie ihn vielleicht anrufen, Commissaire?«
    Sie holte ihr Telefon heraus und sah, wie Monot sich entfernte. Sie sprach nicht mit dem Staatsanwalt, auch nicht mit seinem Stellvertreter. Beim dritten Klingeln legte sie auf, und ihr blieb noch das ganze Leben, um diese nichtigen Sorgen um das Prozedere zu hassen. Wäre sie nicht geblieben, um zu telefonieren, wäre nichts von dem passiert, was jetzt folgte: Sie hätte gesehen, hätte reagieren können. So begnügte sie sich damit zu hören.
    Zuerst die Schreie, wie zwischen zwei Ringkämpfern. Dann das Klopfen von Krücken im Flur. Sie steckte ihr Handy ein, zückte die Waffe und stürzte sich in den endlos langen Flur. Ein Schuss, ein Schrei, die Stimme von Monot, niemand sonst konnte so schreien, dann noch ein Schuss und ein weiterer Schrei: dieses Mal die Stimme von Joa. Die Stille, die danach herrschte, wurde von einem markerschütternden Schrei in der Wohnung zerrissen: der von Viviane.
    Monot lag auf dem Boden. Ein hübscher kleiner Blutfleck prangte unten auf seiner Jacke, in Höhe der rechten Niere. Der Fleck wurde größer, hässlich, schrecklich.
    Joa sah das Blut an, das nun auf den Teppich floss, bestürzt, als müsse sie ihn selbst reinigen. Sie machte zwei Schritte zu einem noch schlimmeren Schaden: Die Hälfte von Saint-Croÿs Kiefer, abgerissen von einer Kugel. Am Rand des Mundes hielt er noch eine Waffe, die die Kommissarin gleich einordnen konnte: eine Manurhin PP -Sportpistole.
    Die Kommissarin rief den Notarzt, ohne die Augen von der Tragödie abzuwenden. Sie hielt ihre Tränen zurück. In einer Tragödie wartete man darauf, dass der Vorhang fiel, bevor man in Tränen ausbrach. Aber Viviane wollte nicht, dass der Vorhang fiel, sie wollte nur, dass der Notarzt kam, schnell, wie er es versprochen hatte.
    Sie schaute Joa an, die ihre Gesten mit einem fast tierischen Stöhnen begleitete. Die Bedienstete neigte sich zu Saint-Croÿ, hockte sich, wie es eben ging, auf den Boden, hielt sich an ihren Krücken fest und hievte ihren Arbeitgeber auf ihren Schoß. Sie sagte nicht mehr » Monsieur«, sondern » Louis, Louis«. In ihr war der Schmerz der ganzen Welt, oder fast, denn auch Viviane hatte sich hingekniet, um den jungen Monot in ihre Arme zu nehmen. Da waren sie, sahen sich an, sahen die Sterbenden an. Sie waren nur mehr zwei Pietà.
    » Was ist passiert?«, fragte Viviane.
    » Als ich ins Zimmer kam, schlugen sich Ihr Inspektor und Louis. Ihr Inspektor hielt seinen Arm von ihm weg, um ihn daran zu hindern, sich umzubringen. Sie sind gefallen. Im Fall hat sich Louis’ Arm in den Rücken des Inspektors gebohrt, ein Schuss ist losgegangen. Louis hat die Pistole aufgehoben und sich in den Mund geschossen.«
    Monot nickte, er bestätigte die Aussage, fehlte nur, dass er noch darum bat, sie gegenzeichnen zu dürfen, der Arme.
    In Viviane krampfte sich alles zusammen. » Gehen Sie Lappen und Tücher holen, Joa, schnell. Man muss das Blut stoppen.«
    Die Kommissarin war sich unsicher, sie hatte vergessen, was sie über Erste Hilfe wusste, sie wollte nur, dass ihr Lieutenant nicht weiter sein Leben in ihren Armen aushauchte. Der andere, Saint-Croÿ, rührte sich kaum.
    Viviane rief noch einmal an, sie wollte wissen, wo der Notarzt blieb. Man sagte ihr, dass es noch dauern würde, der Verkehr stocke, die Stadt sei dicht. Sie insistierte, erklärte, dass zwei Männer im Sterben lägen, ob das den Verkehr nicht zum Fließen bringen könne? Man bat sie zu warten, legte auf.
    Joa kam mit einem Stapel gut gebügelter Tücher wieder. Viviane legte sie dem leblosen Monot unter die Nieren, als könnten sie das Loch stopfen, aus dem weiter Blut floss. Joa sah, was sie tat, versuchte dann, es ihr nachzumachen, doch es war lächerlich, es gab nichts zu stopfen, Saint-Croÿs untere Gesichtshälfte war nur noch ein Loch. Er starb. Sie konnten nur noch abwarten. Und Viviane konnte Joa zuhören, die erzählte, während sie ihrem Louis den kahlen Schädel streichelte.
    Sie erzählte sehr gut. Hatte alles selbst erlebt.

Kapitel 19
    Es ist die Geschichte eines guten Sohnes, der der Stolz seiner Eltern ist. Weil Mama es mag, wenn man arbeitet, ist Louis ein guter Schüler. Weil Papa Gedichte mag, liest er Gedichte, abends in seinem Bett; Baudelaire, natürlich. Er absolviert ein solides Studium der Literaturwissenschaft

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