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Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)

Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)

Titel: Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Flipo
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hineinzukommen, aber Monot war zu gut erzogen. Sie ging vor, er hinterher. Sie waren aneinander gequetscht, Gesicht an Gesicht. Die Situation war lächerlich. Mit keinem anderen ihrer Männer hätte sie das ausgehalten. Mit ihm konnte sie darüber lachen.
    Zehn Minuten später stiegen sie an der Station Champs-Elysées-Clemenceau aus und rannten zur Rue Robert-Estienne. Mit ihren paar Kilo weniger lief sie fast so schnell wie er. Oder war es Monot, der sich bemühte, nicht zu schnell zu laufen?
    Bei Saint-Croÿ angekommen bemerkten sie Licht in seiner Wohnung, ein gutes Zeichen. Sie nahmen die Treppe, und dieses Mal war es Monot, dem etwas auffiel, als er die erste Etage passierte. » Sehen Sie mal durch das Fenster, Commissaire.«
    » Was sehen– da ist nichts zu sehen.«
    » Das meine ich ja.«
    In den Krimis war das der Moment, wo der Held seine schöne Theorie vor einem seligen Publikum ausbreitete. Hier war die Kommissarin das Publikum. Sie hatte allerdings keine Zeit, selig zu sein, denn Monot jagte die Treppe hinauf, sie auf seinen Fersen.
    Saint-Croÿ öffnete ihnen, im Mantel. Der Eingangsflur war mit Gepäck vollgestellt, und er konnte nicht verbergen, dass er unangenehm überrascht war: » Ich dachte, das sei unser Taxi zum Flughafen, es sollte bald kommen.«
    » Das Taxi wird sicher Verspätung haben, die Stadt ist dicht. Wir werden ein bisschen Zeit zum Reden haben«, antwortete Monot. Er lächelte, entspannt, als wäre er bei einem Freund angekommen. Er würde ihm gleich etwas Lustiges erzählen: » Ich habe an den Abend zurückgedacht, an dem Sie nur knapp einem Anschlag entgangen sind. Sie hatten Glück. Aber ich glaube, der Schütze noch mehr als Sie. Wie konnte er wissen, dass Sie an Ihrem Schreibtisch saßen? Ich könnte das verstehen, wenn er an einem durchsichtigen Fenster vorbeigekommen wäre und es geöffnet hätte, um zu schießen, als er Sie am Schreibtisch sah. Aber wenn das Fenster ein undurchsichtiges Buntglasfenster ist? Meinen Sie, er öffnet das Fenster, trotz der Kälte zu dieser Zeit– Sie erinnern sich?–, und wartet im Finstern, die Waffe in der Hand, ohne zu wissen, ob Sie kommen würden, immer in der Gefahr, gesehen zu werden? Seltsam, oder? Zumal zwei Minuten früher, als Joa durch das Treppenhaus hinaufkam, niemand zu sehen war. Es hat genügt, dass der Schütze kam und das Fenster öffnete, damit Sie sich an Ihren Schreibtisch setzten. War das wirklich Glück?«
    Saint-Croÿ setzte sich und verdrehte unschuldig die Augen. Gefesselt hörte er Monot weiter zu: » Das ist kein Glück, das ist Organisation. Joa hat den Strom abgestellt, das Fenster geöffnet und geschossen, obwohl Sie überhaupt nicht in Ihrem Arbeitszimmer waren. Sie hat den Revolver bei sich versteckt, ihn durch einen Brieföffner ersetzt, den sie wahrscheinlich in der Grünpflanze im Aufgang bereitgelegt hatte, und ist die Treppe hinabgehastet, während sie darauf gewartet hat, dass Sie sie zurückrufen. Wäre ein Nachbar ins Treppenhaus gekommen, hätte er gesehen, wie sie im Dunkeln einem vermeintlichen Attentäter hinterherlief. Das erste Geheimnis wäre also gelüftet, der Mordversuch: Es gab keinen. Über die anderen werden wir noch reden müssen.«
    Saint-Croÿ zuckte mit den Schultern. » Ihre Version ist nicht stichhaltig. Es hat echte Tote gegeben, also einen echten Mörder, und das kann niemals Joa gewesen sein. Sie hatte immer ein Alibi, genau wie ich auch. Sie war selbst Opfer, ich erinnere Sie daran, dass sie beim Stoß vor die Metro fast gestorben wäre…«
    Viviane unterbrach ihn, Wut lag in ihrer Stimme: » Nein, sie ist nicht gestoßen worden, sie ist dazu gedrängt worden, sich selbst vor die Metro zu werfen, früh genug, dass sie eine Chance hatte davonzukommen. Gedrängt von Ihnen: Sie haben es gewagt, sie darum zu bitten, weil Sie es mit der Angst bekommen haben, als ich Ihnen aufs Geratewohl erzählte, dass wir vermutlich den Schuldigen gefunden haben. Sie wollten von sich ablenken, indem Sie die Ermittlungen in andere Bahnen gelenkt haben.«
    Saint-Croÿ antwortete nichts. Er nickte nur, wie ein kleiner Junge, der ertappt worden war. » Ich glaube, wir werden das Flugzeug heute Abend nicht nehmen. Mit Ihrer Erlaubnis gehe ich in mein Arbeitszimmer, um das Taxi abzubestellen.«
    » Warten Sie, ich komme mit«, sagte der Lieutenant.
    Die Kommissarin griff ihn am Ärmel und flüsterte ihm zu: » Vorsicht, Monot, wir müssen das Verfahren in Gang bringen. Jetzt ist der Moment, den

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