Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)
und schließt es mit einer bemerkenswerten Arbeit ab: Traurige Säulenhallen – Architektur und Jenseits im Werk von Charles Baudelaire. Er heiratet die Tochter eines Freundes seines Vaters, eine junge Literaturprofessorin, die seine Eltern für sich eingenommen hat. Das Unterrichten verachtend, wird er zur rechten Hand seines Vaters. Für Papa fährt er durch ganz Europa, und manchmal noch weiter, um Manuskripte auszugraben, auf die er Hinweise erhalten hatte. Er schreibt und hält unzählige Vorträge über Baudelaire, überall, wo man danach verlangt. Louis erhält für seine Doktorarbeit Dandytum und Spiritualität bei Charles Baudelaire die Doktorwürde mit Auszeichnung. Als er auf die fünfzig zugeht, zögert er, wie sein Idol, sich bei der Académie Française vorzustellen, und die ersten Besuche dort ermutigen ihn nicht, weswegen er es, wieder wie sein Idol, aufgibt. Ohne Kummer, schließlich war es, um Papa Freude zu machen, der seit Mamas Tod ein wenig traurig ist. Kurz, ein Leben, so brav und lustig wie eine gerade Linie.
Und dann stirbt Papa. Danach ist Louis’ Frau an der Reihe, der Lungenkrebs rafft sie dahin. Louis sagt sich, dass nun höchste Zeit sei, mit dem Leben zu beginnen. Er setzt das alte Hausmädchen vor die Tür, und hop!, weg mit der Großherzigen Magd! An ihrer Statt stellt er eine junge Kamerunerin ein, Joa, hat er doch, wie Baudelaire, ein Faible für exotische Liebschaften. Joa ist schön, intelligent, zärtlich und allein. Schnell verliebt sie sich in Louis, wird zu seiner Geliebten. Sie steigt aus der Dienstmädchenkammer hinunter ins Zimmer der Eheleute, drückt dem Apartment hier und da ihren Stempel auf, richtet auf dem Balkon sogar einen exotischen Garten ein, der Louis große Freude macht. Sowohl sie als auch er ignorieren das Missfallen der Saint-Croÿ-Sprösslinge. Ihr Vater kümmert sich nicht mehr um sie, er begrenzt seine Erziehung auf einige wenige Punkte: ihr Studium und Laurettes Diät.
» Verstehen Sie, Commissaire, er hat immer nur gelebt, um andere glücklich zu machen, jetzt wollte er selbst an der Reihe sein.«
» Und Sie, Joa, waren Sie glücklich?«
» Natürlich«, sagte sie und streichelte den kahlen Schädel ihres Geliebten. » Abgesehen von diesen Manuskript-Geschichten, die in seinem Leben etwas zu viel Platz einnahmen.«
Joa erzählte weiter. Langsam wurde ihr Bericht spannend, denn der Zusammenhang mit dem Fall begann deutlich zu werden.
Schlussendlich findet auch Louis Charles Baudelaire und seine alten Papiere belastend. Es ist ein bisschen so, als hinge der Geist von Papa noch im Haus. Also entschließt er sich, alles zu verkaufen. Aber man verkauft eine Sammlung nicht wie eine Wohnung, erst muss man ihren Wert in die Höhe treiben. Man muss Baudelaire zu mehr Aktualität verhelfen.
Der ehemals gute Sohn mausert sich zum alten Schlingel: Er denkt sich eine literarische Ente aus. Er erdichtet ein falsches Baudelaire-Sonett, so skandalös wie irgend möglich, damit die Medien ihm einen Platz einräumen. Aber nach der Erschaffung bleibt das Schwierigste: die Niederschrift des Gefälschten.
Joa unterbrach plötzlich ihren Bericht: » Sie sollten den Notarzt noch einmal anrufen. Wenn er weiter Blut verliert, stirbt er, Ihr Lieutenant.«
Sie hatte das sanft gesagt, ruhig. Viviane rief an. Man sagte ihr, man tue, was man könne. Joa hörte die Antwort nicht, erriet sie nur, als sie die Miene der Kommissarin sah. » Sagen Sie denen, dass wir im Fernsehen waren.«
Diese Frau beeindruckte Viviane. Sie hatte mehr als einen gesunden Menschenverstand, sie war weise. Sie hatte die Welt begriffen, so wie man Gesellschaftsspiele und ihre Tücken begreift. Sie wusste, dass man Monopoly mit Orange und Gelb gewann.
Bevor man sie also wegdrückte, schob Viviane ein: » Geben Sie sich einen Ruck. Der Lieutenant, der hier im Sterben liegt, war neulich abends in der Sendung von Lavenu. Die Polizeikommissarin, die ihn begleitete, bin ich, und die junge Schwarze, die man gesehen hat, ist auch hier.«
Schweigen am Ende der Leitung. Man versprach ihr zu kommen und legte auf. Viviane schämte sich ein bisschen, es war, als hätte sie die Körper von Monot und Saint-Croÿ mit einem Schild versehen: im Fernsehen gesehen. Aber das war ihre letzte Chance. Vor allem Monots letzte Chance.
Joa warf Viviane ein ermutigendes Lächeln zu, als sei sie es, die gegen den Tod ankämpfte, und fuhr mit ihrer Geschichte fort.
Um die Schrift von Baudelaire nachzuahmen, nimmt Louis
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