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Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)

Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)

Titel: Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Flipo
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Saint-Croÿ die Technik zur Hilfe. Er scannt die Manuskripte des Dichters aus den 1840er Jahren mithilfe eines speziellen Programms ein, zeichnet die für Baudelaire typischen Buchstaben in drei verschiedenen Varianten nach, damit es nicht zu gleichförmig aussieht. Nachdem er das Gedicht dann in dieser dreifachen Typografie eingetippt hat, schreibt er es mit der Hand auf einem sehr leichten, fast transparenten Papier ab, indem er hier und da einige Buchstaben verformt, indem er das Blatt schief hält, versetzt. Bleibt das Papier: Mit den neuen Untersuchungstechniken würde ein falsches Papier sofort erkannt werden. Also macht er, auf transparentem Rhodoid, eine Fotokopie eines Papiers aus der Zeit, eine vom Text des Manuskripts, legt sie übereinander und fotokopiert das Ganze. Das Faksimile ist fertig, die Ente auch.
    » Wenn Sie ihn gesehen hätten, an dem Tag, als das Dokument fertig war!«, seufzte Joa. » Er war so stolz, als hätte er den Da Vinci Code geknackt!«
    Viviane verging fast vor Ungeduld– ihre gesamten Ermittlungen bekamen mit einem Mal einen Sinn, auch wenn ihr blutiges Ende gerade in ihren Armen lag. Joa fuhr fort.
    Louis will dieses Pseudomanuskript an die Académie Française schicken, adressiert an den » Dichterfürsten«, um sicherzugehen, dass der Umschlag während einer Sitzung geöffnet wird. Bleibt nur noch, einen Absender zu finden. Der Sammler beschließt, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Er will sich an Xavier Baudelaire rächen, einem Dummkopf, der sich einige Jahre zuvor nicht hatte übers Ohr hauen lassen und ihm so ein ungewöhnliches Stück vorenthalten hatte. Louis setzt auf die Rückseite des Umschlags Initialen und Adresse von Xavier Baudelaire. Der Name würde der Täuschung mehr Glaubwürdigkeit verleihen. Man würde denken, es handle sich um einen Nachfahren, der ein Familiendokument von der Académie Française absegnen lassen will, bevor er es verkauft. Natürlich würde der Dummkopf das leugnen, aber niemand ließe sich davon täuschen. Hat er nicht schon einmal einen Brief des berühmten Vorfahren verkauft? Wenn Louis Saint-Croÿ später den Betrug entlarven würde, würde man seine Expertise loben, während Xavier Baudelaire als lächerlicher Betrüger dastünde. Die Rache eines Sammlers kennt kein Verfallsdatum.
    » Ich habe ihm gesagt, das nicht zu tun«, flüsterte Joa. » Es war eine unnötige Bosheit. Aber er hielt daran fest.«
    » Oh, Xavier Baudelaire hat das nicht geschadet, das war noch Werbung für ihn«, beruhigte Viviane sie. » Erzählen Sie weiter, es ist spannend.«
    Eines Tages hat Laurette ihrem Vater beiläufig von dem Obdachlosen erzählt, der sich für Victor Hugo hält. Er würde einen perfekten, nahezu fantastischen Boten abgeben. Louis Saint-Croÿ fängt ihn am Ausgang des McDonald’s ab, gibt ihm den Umschlag und hundert Euro und verspricht ihm einen weiteren Schein, sobald er den Umschlag abgegeben hat. Er geht zum Quai Conti, um dort auf ihn zu warten und sicherzugehen, dass er seine Mission wirklich erfüllt.
    Wenn alles gut ginge, würden sich Académie und Medien für das Sonett begeistern. Man würde über seine Echtheit rätseln. Man würde natürlich den großen Louis Saint-Croÿ um Hilfe bitten, der sich einen Spaß daraus machen würde, den Spannungsbogen andauern zu lassen, bevor er die Täuschung entlarvte. All das ergibt eine wunderschöne Werbekampagne für die Veräußerung der Sammlung.
    » Es war ein wunderbarer Plan, nicht wahr?«, begeisterte sich Joa. » Aber leider ist nichts davon so gekommen, wie es sollte.«
    Der Bote kommt nicht am Ziel an. Vor den Augen von Louis wird der Obdachlose überfallen und samt Briefumschlag von der Feuerwehr abtransportiert. Wenige Tage später erfährt er, dass eine Kommissarin den Umschlag in der Académie abgegeben hat. Aber die Unsterblichen denken nicht einmal daran, Saint-Croÿ anzurufen. Sie ziehen es vor, den Skandal zu vergessen, der sie nur in Verruf gebracht hat. Und wenn die Medien sich für das Sonett interessieren, dann nur, weil es Unglück zu bringen scheint. Nach dem Obdachlosen versucht man, die Kommissarin zu vergiften.
    Louis begreift nichts mehr, seine Täuschung entgleitet ihm. Versucht ein unbekannter Mörder– ein anderer Sammler, neidisch bis zum Hass, oder ein fanatischer Baudelaire-Verächter?– zu verhindern, dass das Sonett auf den Markt kommt? Woher hat er seine Informationen? Und weshalb spricht niemand über Xavier Baudelaire?
    Pragmatisch

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