Tote Dichter lügen nicht: Roman (German Edition)
konnte doch nicht so weitermachen und sich alle Nase lang täuschen.
Montag, 4 . März
Louis Saint-Croÿ kam zu einer Höflichkeitsvisite vorbei. » Danke für die Tasche, Commissaire. Das war sehr freundlich. Ich bin so mit diesem Verkauf beschäftigt, Sie wissen ja, wie das ist.«
Viviane gestand, nein, sie habe bisher wenig Gelegenheit gehabt, sich von einer Autografensammlung trennen zu müssen.
» Sobald sie eine Sammlung von irgendetwas besitzen, ist es besser, sie in eine Auktion zu geben«, erklärte Saint-Croÿ. » Wenn der Preis nicht hoch genug geht, kann man mit einem Mindestgebot dafür sorgen, den Gegenstand selbst zurückzunehmen.«
Viviane wollte nicht zugeben, dass sie lediglich eine Sammlung hübscher Verdächtiger hatte. Sie fragte Saint-Croÿ, weshalb er seine Autografen nicht direkt an Sammler verkaufte, das erschien ihr viel einfacher.
Der alte Kenner ließ ein nachsichtiges Lachen hören. » Oh, nein! Man muss alles in die Auktion geben. Bei einer Sammlung wie meiner steigern die schönsten Stücke dann den Wert der anderen. Dort sind dann mehrere Beutesammler, die sich gegenseitig anheizen und die Auktion unvernünftig in die Höhe treiben. Aber diese Geschichten interessieren Sie vielleicht gar nicht?«
» Mich interessiert alles. Auch Ihre Tochter. Und Pascal Mesneux. Wussten Sie, dass sie ihn kannte? Hat sie Ihnen das erzählt?«
Saint-Croÿs Schweigen war endlos. » Ich weiß nicht. Vielleicht. Wenn sie mit mir redet, schalte ich ab. Ihre Geschichten interessieren mich nicht. Aber es ist doch gleich, ob ich Ihnen mit Ja oder Nein antworte– was würde das an den Ermittlungen ändern?«
Er machte sie verlegen: Keine ihrer Entdeckungen schien bei den Saint-Croÿs irgendetwas zu ändern.
Kapitel 18
Mittwoch, 13 . März
Nichts war vorangegangen.
Christophe Le Marrec, den man schon mehrmals verhört hatte, blieb bei seiner Version der Geschichte. Sein Terminkalender hatte nichts gebracht, die Namen waren mehrheitlich Pseudonyme. Der Meister behauptete, die wahre Identität seiner Kunden nicht zu kennen. Seit er die Praxis übernommen hatte, wurden die Karteikarten am Ende jeder Woche systematisch vernichtet. Er sagte, das garantiere Vertraulichkeit.
Die Granate war identifiziert worden, sie stammte aus Russland. Die einzigen Abdrücke, die man darauf fand, waren von Saint-Croÿ und De Bussche.
Der Allmächtige drängte die Kriminalabteilung. Er wollte Ergebnisse sehen. Viviane hatte fünf Kilo abgenommen. Jetzt, wo sie in Phase II der Dukan-Diät war, schwamm sie in ihrem rosa Caroll-Kostüm– war das etwa kein gutes Ergebnis? Aber das wollte sie hier lieber nicht anführen.
Lieutenant Monot bat sie darum, Donnerstagmorgen frei zu bekommen, um sich im Hotel Drouot die Verkaufsausstellung der Sammlung von Saint-Croÿ anzusehen, die Samstag versteigert werden sollte. Das würde natürlich nichts bringen, aber sie wollte ihm das nicht versagen.
Donnerstag, 14 . März
Man hatte die Wachpolizisten vor den Häusern der Verdächtigen abgezogen. Die Bewachung war zu teuer und nutzlos: Die Abhörungen bewiesen, dass niemand mehr bedroht wurde.
Viviane rief ihre Protagonisten an, um ihnen die Neuigkeit zu verkünden, sie wurde schlecht aufgenommen: Man nahm ihnen eine soziale Errungenschaft. Xavier Baudelaire erwies sich als der Ärgerlichste von allen. Er sei gerade dabei, höchst interessante Kontakte mit Züchtern von Charolais-Rindern zu knüpfen, die Einstellung der Bewachung würde seinem Image schaden. Ob man sie nicht verlängern könne? Er sei bereit zu zahlen, was nötig wäre. Er zögerte, bevor er ergänzte: » Wenn ich so tun würde, als sei ich Opfer eines Überfalls geworden, wäre das für Sie ein Problem? Ich würde nicht mal Anzeige erstatten, nur den Zeitungen davon berichten. Das stört doch keinen, oder?«
Freitag, 15 . März
Der Allmächtige hatte der Kommissarin und ihrem Lieutenant endlich erlaubt, dieses Wochenende in ihr Zuhause zurückzukehren. Viviane feierte ihre Freiheit mit Fabien im Hotelrestaurant– und bereute es. Alles in allem hätte sie ein letztes Tête-à-Tête mit Monot vorgezogen. Tagsüber sah sie ihn immer weniger: Sie übertrug ihm kleine Aufgaben, die er mit der Sorgfalt eines gewissenhaften Angestellten ausführte. Bald würde er ins Hauptkommissariat wechseln und mit ihm der Sonett-Fall. Dass der Fall ihr entzogen würde, war der kleinere Kummer.
Die Nacht war enttäuschend. Fabien fand sie weniger lebendig als sonst. Sie traute sich
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