Tote erinnern sich (H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens) (German Edition)
überging und dann verstummte – und währenddessen mehrere heftige Schläge, seltsam gedämpft, wie von einem Schwert, das tief in menschliches Fleisch getrieben wird. Und dann war plötzlich Ruhe.
Sie rief den Geschäftsführer und sie versuchten, die Tür zu öffnen. Als sie feststellten, dass abgeschlossen war und auch niemand auf ihre Rufe antwortete, haben sie mit dem Generalschlüssel geöffnet. Im Raum lag nur die Leiche, aber das Fenster stand offen. Das passt gar nicht zu Kathulos’ üblicher Vorgehensweise. Da fehlt die Raffinesse. Seine Opfer erweckten meistens den Eindruck, als wären sie auf natürliche Weise ums Leben gekommen. Ich verstehe das nicht.«
»Es macht aber letztlich keinen Unterschied«, erwiderte ich. »So wie die Dinge liegen, haben wir keine Möglichkeit, den Mörder zu fassen.«
»Stimmt«, nickte Gordon finster. »Wir wissen, wer die Tat begangen hat, aber es gibt keine Beweise – nicht einmal einen Fingerabdruck. Selbst wenn wir wüssten, wo sich der Afghane versteckt, und ihn verhaften würden, könnten wir ihm nichts nachweisen. Es gäbe mit Sicherheit ein Dutzend Männer, die sein Alibi beschwören würden.
Der Baron ist erst gestern zurückgekehrt. Kathulos hat vermutlich erst heute Abend von seiner Ankunft erfahren. Er wusste, dass Rokoff sich morgen früh bei mir melden und mir von seinen Beobachtungen in Nordasien berichten würde. Dem Ägypter war klar, dass er schnell zuschlagen musste. Nachdem er nicht genug Zeit hatte, um einen ausgeklügelten Mord vorzubereiten, hat er den Afridi mit seinem Tulwar geschickt. Wir können nichts tun, jedenfalls nicht, bevor wir das Versteck des Skorpions gefunden haben. Was der Baron in der Mongolei herausgefunden hat, werden wir nie erfahren, aber für mich steht fest, dass die Pläne von Kathulos eine Rolle spielten.«
Wir gingen wieder die Treppe hinunter, wobei uns Hansen, einer der Männer von Scotland Yard, begleitete. Gordon schlug vor, zu Fuß zu seiner Wohnung zurückzukehren. Ich war froh über seinen Vorschlag und hoffte, die kühle Nachtluft würde vielleicht wenigstens ein paar von den Schleiern wegblasen, die sich über meinen Verstand gelegt hatten.
Während wir so durch die verlassenen Straßen gingen, begann Gordon plötzlich wüst zu fluchen.
»Wir irren da in einem regelrechten Labyrinth herum und kommen nicht weiter. Hier, mitten im Herzen der Hauptstadt der Zivilisation, begeht der unmittelbare Feind dieser Zivilisation die abscheulichsten Verbrechen und befindet sich nach wie vor auf freiem Fuß! Wir sind wie Kinder, die durch die Nacht irren und sich mit einem unsichtbaren Übel herumschlagen. Wir haben es mit einem fleischgewordenen Teufel zu tun und wissen nichts über seine wahre Identität und können auch nur spekulieren, was seine tatsächlichen Ziele sind.
Noch nie ist es gelungen, einen der direkten Handlanger des Ägypters zu verhaften, und die paar Tölpel, die er als Werkzeuge benutzt hat und die wir festgenommen haben, sind auf mysteriöse Weise gestorben, ehe sie uns etwas sagen konnten. Ich sage es noch einmal: Was für fremdartige Kräfte besitzt Kathulos, mit denen er seine Macht über diese Männer aus unterschiedlichen Rassen und Glaubensbekenntnissen ausübt?
Die Männer, die hier in London für ihn tätig sind, sind natürlich überwiegend Abtrünnige, Sklaven des Rauschgifts, aber seine Fühler reichen ja über den gesamten Orient. Seine Dominanz muss bemerkenswert sein: Die Macht, die den Chinesen Li Kung angesichts des sicheren Todes dazu bewegt hat, umzukehren, um Sie zu töten; die Macht, die Yar Khan, den Moslem, über die Dächer Londons geschickt hat, um zu morden; und die Macht, die Zuleika, die Tscherkessin, mit unsichtbaren Fesseln zu seiner Sklavin macht.
Natürlich wissen wir«, fuhr er nach ein paar Augenblicken brütenden Schweigens fort, »dass es im Osten Geheimgesellschaften gibt, die über allen Glaubensgegensätzen stehen. In Afrika und dem Orient gibt es Kulte, deren Ursprung bis zu Ophir und dem Fall von Atlantis zurückreicht. Dieser Mann muss in einigen dieser Gesellschaften, vielleicht sogar in allen, über großen Einfluss verfügen. Unglaublich! Außer den Juden kenne ich keine orientalische Rasse, die von anderen Rassen des Ostens so unerbittlich gehasst wird wie die Ägypter! Und doch haben wir es hier mit einem Mann, nach eigenen Worten einem Ägypter, zu tun, der das Leben und das Schicksal orthodoxer Moslems, Hindus, Shintos und Teufelsanbeter
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