Tote essen kein Fast Food
der mit seinem Kollegen aus dem Gang auftauchte, wo sie den verletzten Typen mit der Bomberjacke und den schmierigen Haaren eingesammelt hatten. Sveas „echt professionell“ hatte ihn wohl in seiner Eitelkeit getroffen. Der Rattenschwanz blutete aus einer klaffenden Stirnwunde und schien nicht aus eigener Kraft gehen zu können. Seine Hände waren vor dem Bauch mit Handschellen fixiert.
„Das war’s dann wohl“, sagte Lars Andresen und klopfte sich den Sand von den Händen und aus seinen Klamotten, während der Kerl ihn unter blutverschmierten Lidern finster anstarrte.
„Und wer sind Sie, junger Mann?“ Herr Kramer, der mit der LED-Leuchte, musterte Lars Andresen von oben bis unten, während seine beiden Kollegen sich um den Glatzkopf kümmerten, der anfing, sich am Boden zu regen. „Was haben Sie hier unten gemacht außer einem bisschen Kung-Fu?“
„Lars Andresen“, stellte er sich vor und schüttelte dabei zwei Häufchen Sand aus seinen Hosentaschen. „Ich wollte meine Nichte dazu überreden, wieder nach Hause zurückzukehren. Als ich erfuhr, dass sie verschwunden ist, und in der Sylter Rundschau das Bild von der siebenschwänzigen Ratten-Brosche sah, habe ich vermutet, dass sie irgendwo auf der Insel ist. Die Brosche hab ich ihr mal zum Geburtstag geschenkt. Sie weiß von meinem Bunker-Hobby, es hat sie fasziniert, seit ich ihr zum ersten Mal davon erzählte, und irgendwann kam ich drauf, dass sie sich das zunutze gemacht haben könnte.“
„Dann sind Sie …“, flüsterte ich fassungslos, „dann müssen Sie …“
„… der Bruder von Susanne Sander sein, der Mutter der vermissten Mia. Hundert Punkte, du Sturzvogel.“
„Was … woher wissen Sie?“, stammelte ich.
„Du hast mich nicht gesehen, aber ich dich, als du in das Bunkerloch bei den Dünen gefallen bist.“
„Und Sie haben mir nicht geholfen?“, fauchte ich empört. „Ich hätte tot sein können.“
„Warst du aber nicht. Ich hab dich schreien gehört.“
„Aber wirklich …“, schaltete Martin sich ein. „Das ist unterlassene Hilfeleis–“
„Was hätte ich denn machen sollen?“, gab Lars bissig zurück. „Ihre Tochter ist ein bisschen sehr auf Krawall gebürstet. Nach dem, was sie am Strand zu mir gesagt hat, hätte sie mich vermutlich wegen versuchter Vergewaltigung angezeigt, wenn ich versucht hätte, mich ihr in friedlicher Absicht zu nähern.“
„Aha.“ Martin runzelte die Stirn. „Was hast du zu ihm gesagt, Helena?“
„Ich … ehm …“
„Vergiss es“, sagte Lars großzügigerweise und ersparte mir damit die Peinlichkeit, meine Worte von damals vor Publikum zu wiederholen. „Außerdem habe ich die konzertierte Rettungsaktion beobachtet, bei der die zwei“, er nickte Jan und Frida zu, „dich wieder ans Tageslicht gehievt haben. Ich wusste also, dass du in Sicherheit warst.“
„Und die Geräusche im Bunker?“, fragte ich. „Waren Sie das?“
„Nein, allerdings habe ich vermutet, dass das Loch in den Bunker führen könnte, den ich vor ein paar Wochen bei der alten Flakstellung entdeckt hatte. Und als es dann diesen Einbruch in die Hörnumer Apotheke gab und Mia nicht wieder auftauchte, habe ich eben eins und eins zusammengezählt.“
„Was in diesem Fall null zu ergeben scheint.“ Der bullige Polizist, der anscheinend Kramer hieß, hatte unseren Dialog bis dahin aufmerksam, aber schweigend verfolgt. „Null Nichte nirgendwo. Nur dass der Einbruch bei Schrader in Hörnum auf das Konto Ihrer Nichte geht, davon dürfen wirnun wohl ausgehen.“ Er rieb sich die linke Seite seiner fleischigen Nase. „Hat jemand eine Idee, wo Mia Sander jetzt stecken könnte?“
Keiner sagte etwas. Nur der Eierkopf am Boden stöhnte leise auf.
„Sie sucht Igel“, ließ sich plötzlich Frida vernehmen. „Also dich, ihren Onkel.“
21
Igel!! Geil. Der Name passte wirklich perfekt. Ich musste grinsen, während Lars Andresen alias Igel sich nervös durch die Stoppelhaare fuhr. „Woher willst du das wissen?“
„Hab ich gelesen.“ Frida krabbelte auf allen vieren zu Mias improvisiertem Nachttisch, wischte eine Tablettenpackung und zwei zerknautschte Blisterfolien beiseite und reichte ihm den Karoblock, der auf der Pappkiste mit den Tampen lag und über und über mit windschiefer Schrift bedeckt war. „Mann, die hat vielleicht ’ne Sauklaue. Schlimmer als Mamas Hieroglüpfen.“
„Die heißen Hieroglyphen“, sagte Martin mechanisch. „Und hüpfen tun sie auch nicht.“
„Ist doch egal.“
Weitere Kostenlose Bücher