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Tote essen kein Fast Food

Titel: Tote essen kein Fast Food Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Baron
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blinzelte in die Sonne, die vom Untergehen noch ein paar Stunden entfernt schien, bis sich ein Schatten davorschob. Der Schatten hatte stacheliges Haar, das wie Borsten gen Himmel stand, eine kratzige Stimme und war im Gegenlicht nicht wirklich zu erkennen. Schräg über die Brust seines dünnen Baumwollpullis spannte sich der Gurt einer abgegriffenen Tasche aus blauem Kunstleder.
    „Ich hab keine“, antwortete ich, nachdem ich reflexartig in der Brusttasche von Martins Oberhemd gefummelt hatte, das ich überm T-Shirt trug. Darin steckte aber nur die halbleere Spraydose, mit der ich Großtante Hedis Gartenbank einen neuen roten Anstrich verpasst hatte.
    „Dann wirst du jetzt wohl eine kaufen müssen.“ Der Schatten zog eine Art Quittung aus seinem Kunstlederbeutel. „Macht sechs Euro bitte für den halben Tag.“ Ich blickte auf mein Handy zwecks Uhrzeit-Check. Sechs Euro? Um fünf Minuten nach fünf. Hatte der sie nicht alle? Ich hatte höchstens eine halbe Stunde hier gesessen. Und sein Arbeitstag war wahrscheinlich seit genau dreihundert Sekunden zu Ende.
    „Hab ich auch nicht.“
    „Ach nee. Dann stehst du leider auf der Stelle auf.“ Ich rührte mich nicht.
    „Na, wird’s bald?“ Seine Augen konnte ich nicht erkennen, aber seine Haltung signalisierte, dass nicht mit ihm zu spaßen war, so als würde er am liebsten jeden Moment handgreiflich werden. Ich warf ihm meinen unterirdischsten Blick zu und richtete mich in meinem Sitz auf. In Zeitlupe entfernte ich den Sand zwischen den Zehen und wurstelte mich in meine Flipflops, während er mich grimmig beobachtete. Als ich mich erhob, immer noch in Zeitlupe, drehte er sich um und ging.
    Idiot!
    Das dachte ich nicht nur, das sprayte ich auch mit meinem Rest roter Farbe in Großbuchstaben hinten auf den weißen Strandkorb. Quer durch die Nummer 207, deren schwarze Null für das O herhalten musste, das jetzt unter roten Punktaugen mürrisch den Mund verzog. Ich mach so was sonst nicht. Aber dieser Blödmann in Kombination mit Martins eigenmächtigen Urlaubsplänen brachte offenbardas Schlechteste in mir zum Vorschein. Ich ließ die Spraydose zurück in meine Hemdtasche gleiten, mich selbst rückwärts in den Sand fallen und betrachtete mein Werk.
    „Idee 15 Punkte. Ausführung 5–6.“ Ich fuhr herum. Unterhalb der Dünen im Sand saß breit grinsend ein Typ in wild orange-weiß gemusterten Badeshorts. Lässig nahm er den langen Halm aus dem Mund, auf dem er herumgekaut hatte, während er mich offensichtlich bei der Ausführung meines dilettantischen Strandgraffito beobachtet hatte, drehte einen Knoten hinein und warf ihn dann weg.
    „Scheiße.“
    „Kein Problem. Dieser Strandbulle nervt schon den ganzen Tag.“
    „Sitzt du schon länger hier?“
    „Erst seit du schliefst.“
    „Wie spannend, mir beim Schlafen zuzusehen.“
    „Ja, aber leider hab ich nicht verstanden, was du gesagt hast.“
    „Gesagt? Ich dachte, ich hätte geschlafen.“
    „Und dabei gesprochen. Klang, als würde dich was aufregen.“
    So leicht war ich zu durchschauen? Sogar im Schlaf?
    „Ooch, nur dass mein Vater mir gerade die Ferien ruiniert hat“, gab ich zu, ohne es zu wollen.
    „Aha. Du machst also doch Ferien hier. Ich dachte eher an eine Lehre zum Malergesellen oder so.“
    Ich blickte an mir herunter. Martins blau gestreiftes Oberhemd war mit roten und weißen Farbklecksen übersät. Dito meine ausgefransten Jeans-Bermudas, die schon länger keine Waschmaschine mehr von innen gesehen hatten. DieHaare hatte ich notdürftig unter eine Baseballkappe gestopft, unter der mir zwei farbverschmierte Strähnen ins Gesicht wehten. Und wahrscheinlich hatte ich statt Sonnencreme rote Punkte im Gesicht. Na super. Das Sams auf Urlaub. Fehlte nur noch der Taucheranzug.
    „Oder zur Fachfrau für Haushaltsauflösungen“, sagte ich.
    „Was?“
    „Ich helfe meinem Vater dabei, das Haus meiner Großtante zu entrümpeln. Da ist ein Bikini eher unpraktisch.“
    „Und damit ruiniert er dir die Ferien? Mit der Entrümpelungsaktion?“
    „Nicht mit der Arbeit. Die stört mich nicht. Aber mit seiner neuen Freundin, von der ich eben erst erfahren habe und die offensichtlich morgen hier aufkreuzen wird. Mitsamt ihrer Tochter, für die ich dann womöglich den Babysitter spielen darf.“ Wütend warf ich ein Häufchen Sand Richtung Strandkorb. Wütend auf Martin und wütend auf mich selbst. Wozu erzählte ich diesem Typen das eigentlich alles? Ich kannte ja noch nicht mal seinen Namen.

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