Tote essen keinen Döner
aus der türkischen Küche: Auch wenn man schuldig ist, lässt man sich nicht unterkriegen und versucht ungerechterweise wie Olivenöl im Wasser ständig nach oben zu schwimmen.
Ich aber flutsche wie Olivenöl aus ihrer Hand und laufe schnell wieder ins Wohnzimmer.
»Nun, sagen Sie doch bitte, ob Sie etwas von unserem Sohn gehört haben?«, fragt der besorgte Vater.
»Ich muss Ihnen gestehen, ich kenne ihn ja gar nicht persönlich. Aber mein Sohn Mehmet hat mir viel von ihm erzählt.«
»Ich vermute mal, dass die beiden keine Freunde sind, nicht wahr? Er ist den Ausländern gegenüber immer etwas reserviert«, windet sich die weibliche Nachtigall herum.
»Um es klar und deutlich zu sagen, er ist total ausländerfeindlich«, rückt die männliche Nachtigall endlich mit der Wahrheit raus.
»Ach, wissen Sie, die Nachbarn erzählen vieles«, versuche ich zu beschwichtigen, »einige behaupten sogar, Ihr Junge sei ein Skinhääd.«
Und schon kommt meine Frau aus der Küche angerannt. Ich glaube, sie hat noch nie in ihrem Leben so schnell Tee gekocht. Um ja kein Wort zu verpassen, hat sie einen neuen Weltrekord aufgestellt.
»Es ist leider wahr, unser Sohn ist ziemlich konservativ«, sagt die Mutter Nachtigall, »obwohl wir wirklich alles unternommen haben, damit aus ihm was Anständiges wird.«
»Ich weiß nicht«, sage ich, »vielleicht haben Sie ihm das ja regelrecht in die Wiege gelegt, als Sie ihn Adolf getauft haben.«
|51| »Aber unser Sohn heißt doch nicht Adolf!«, ruft Herr Nachtigall entsetzt.
»Wie, Ihr Sohn heißt nicht Adolf?«, frage ich irritiert. »Dann sind Sie ja gar nicht die Eltern von dem blöden Fascho da oben?«
»Doch, doch, die sind wir. Aber er heißt nicht Adolf! Mit richtigem Namen heißt er Dominique. Diesen unmöglichen Spitznamen Adolf hat er sich vor vielen Jahren selber zugelegt«, stöhnt der Vater.
»Ach so, das ist sozusagen sein Künstlername. Kenn ich, mein Sohn Mehmet macht es genauso. In seiner Zeitschrift schreibt er unter zehn verschiedenen Namen Artikel und unter zwanzig verschiedenen Namen schreibt er sich dann selber Leserbriefe, was für ein toller Autor er doch sei.«
»Wir haben ihm damals einen so wunderschönen französischen Namen ausgesucht«, schluchzt die Mutter, »weil mein Gatte und ich uns beide zur französischen Kultur hingezogen fühlen und weil wir davon geträumt haben, dass unser Bäby mal ein feingeistiger, kultivierter Mensch sein wird. Ich weiß beim besten Willen nicht, was wir falsch gemacht haben«, schluchzt sie weiter.
»Ich hab ihm so oft gedroht, dass er riesigen Ärger bekommt, wenn er nicht endlich mit dem Nazi-Scheiß aufhört«, stöhnt ihr Mann.
»Ich hab dir immer gesagt, du sollst mit ihm vernünftig reden«, stellt Frau Nachtigall sofort ihren Mann an den Pranger, »und im Beisein von Dominique ständig über unseren ausländischen Nachbarn zu lästern, war auch nicht so schlau!«
Da klingelt es schon wieder an der Tür. Ich krabbele |52| über unsere Gäste und die restlichen Umzugskartons und eile zur Wohnungstür.
»Vielleicht ist es mein Liebling, unser Dominique. Der Junge hat bestimmt gehört, dass wir hier sind«, ruft Frau Nachtigall erwartungsvoll.
»Tut mir leid, gute Frau, aber es ist nur der ehemalige Mieter, den Ihr Liebling aus dieser Wohnung vertrieben hat«, rufe ich zurück.
Mein Arbeitskollege Abdullah-Ibrahim steht vor der Tür und springt von einem Fuß auf den anderen und wedelt aufgeregt und stolz mit einem neuen Gedicht vor meinem Gesicht.
»Oh, das ist uns aber unangenehm, wenn das wirklich stimmen sollte«, sagt die Mutter betreten.
»Und ob das stimmt«, sage ich, »wir verdanken es sozusagen nur ihrem Sohn, dass wir hier einziehen durften. Aber wir sind auch froh, dass er überhaupt noch lebt.«
»Wie? Noch lebt? Ich meine, was ist denn mit Dominique?«, ruft Herr Nachtigall erschrocken – was aber mich als alten Kriminologen nicht ganz überzeugt.
»Nein, ich meine doch nicht Dominique! Ich danke Allah, dass Ihr Adolf meinen guten alten Freund Abdullah-Ibrahim mit dem Leben hat davonkommen lassen.«
»Dann hat er unseren Dominique ja in letzter Zeit oft gesehen«, ruft Frau Nachtigall.
»Jetzt komm endlich rein, Abdullah-Ibrahim«, gebe ich ihm die Hand, »sag mal, hast du in letzter Zeit den Dominique gesehen?«
»Dommi-was?«
»Den Adolf!«
»Der Teufel soll ihn sehen!«
|53| »Sei leise, seine Eltern sind hier«, informiere ich ihn flüsternd.
Frau Nachtigall steht auf und gibt
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