Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tote Finnen tanzen keinen Tango: Kriminalroman (German Edition)

Tote Finnen tanzen keinen Tango: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Tote Finnen tanzen keinen Tango: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markku Ropponen
Vom Netzwerk:
sehen. Aber die Frau – wie sah sie aus?«
    Der junge Mann senkte den Blick und starrte in seinen Kaffee, als versuchte er, ein Bild der Frau auf die Oberfläche der heißen Flüssigkeit zu zaubern. Als Ersttäter bekäme er für die Fahrt mit dem Passat höchstens eine Bewährungsstrafe, trotz der Tatsache, dass hier ein Mordfall vorlag. Wenn es schlecht lief und wenn die Ermittler im Präsidium und die Leute von der Zentralkripo viel zu tun hätten, würden sie den Jungen in Haft halten, bis er dreißig wurde. So etwas konnte ein Leben für immer vergiften.
    »Eine kleine, dicke Frau.«
    »Damit grenzt du die Möglichkeiten auf zehntausend ein. Oder auf fünf, aber streng dich mal an. Es geht um ziemlich große Sachen.«
    »Walking-Stöcke. Meistens rote Shorts. Und klein, so klein, dass sie mit dem Kinn kaum an die Luke reichte.«
    »Wieso meistens?«
    »Na, weil sie ein, zwei Mal die Woche mit den Stöcken auf der Saarijärventie an der Campingplatzeinfahrt vorbeiläuft. Ich hab sie jedenfalls oft gesehen. So eine, die immer was zu sagen hat. Man kennt die schon, die kommen zur Rezeption und beschweren sich, dass die Dusche nicht funktioniert oder Hundescheiße auf dem Rasen liegt.«
    Kuhala stellte die Tasse auf die Spüle und kam wieder zurück. »Das ist eine kleine Stadt. Ich hätte selbst eine Kandidatin in petto, auf die deine Beschreibung passt. Sie war früher Bürokraft in einem Bergbaubetrieb, ist jetzt in Rente und trägt auch rote Sporthosen. Sie heißt Helmi, den Nachnamen kenne ich nicht. Falls es dieselbe Person ist, sind wir schon ziemlich weit gekommen. Kommst du bloß mit dem Kaffee aus?«
    »Es war ja Zucker drin.«
    Die ehemalige Bürokraft des Bergbauunternehmens kam mit einem geschälten Apfel an die Tür, auf dem Gesicht die Röte und die leichte Anschwellung nach dem Mittagsschlaf. Die Kiefer mahlten. Als sie Kuhala erkannte, hellte sich ihre Miene plötzlich auf, und sie vergrößerte den Türspalt. Sie trug einen bis zu den Knien reichenden sommerlichen Einteiler, der mit Schmetterlingen und Blumen bedruckt war. Durch die zwei Herzanstecker an der Brusttasche und die Ohrringe mit Rosenmotiv sah sie aus wie ein überaltertes Kind. »Ist der Schleicher gefunden worden?«
    »Der Schleicher?«
    »Mein ehemaliger Mann.«
    »Ach so. Nein, wohl noch nicht, aber könnte ich mit dem jungen Mann hier mal kurz reinkommen?«
    An der Garderobe hing eine respektable Kollektion Walkingstöcke, die neben dem Flurspiegel an der Wand befestigte Postkartenausstellung drohte sich nach dem nächsten Scheppern der Briefklappe ins Wohnzimmer auszudehnen. Die Frau führte ein aktives Rentnerdasein, und die halb leer gegessene Schachtel Marzipanpralinen auf dem Wohnzimmertisch verriet, dass sie versuchte, das Gleichgewicht des Schreckens aufrechtzuerhalten, indem sie zwischen Naschen und Walken abwechselte. Dieses Phänomen war auch Kuhala bekannt, auch wenn er statt Pralinen die Verlockungen von Imbissbuden favorisierte.
    »Hier ist es ein bisschen unordentlich. Gehen wir auf die Terrasse.«
    Schneewittchen und die sieben Zwerge, die zu einem Tanzkreis arrangiert worden waren, sowie das glänzende Engel-Abziehbild auf der Gießkanne schufen eine romantische Alternative zu den vielen Gärten, die Kuhala in letzter Zeit abgegrast hatte. Er fragte die Frau, ob sie den jungen Mann schon einmal gesehen habe. »Vielleicht könnten Sie sich miteinander bekannt machen.«
    Pekka streckte die Hand aus und nannte seinen Namen. Er saß neben Kuhala, ohne zu wissen, wie er seine Beine platzieren sollte. Danach starrten beide Männer die Frau an, als warteten sie darauf, dass sie das Geheimnis des Universums lüfte, aber da bei ihr ein überdurchschnittlich starker Wunsch, Aufmerksamkeit zu erregen, in die Genfasern eingewebt war, wollte sie ihre Gäste nicht so leicht davonkommen lassen.
    Eine Hand nachdenklich auf die Wange gelegt, die andere auf der Bauchwölbung ruhend, näherte sie sich Pekka, wobei sich ihre Augen verengten und die Nasenlöcher bebten. Kuhala spürte einen Ruck der Ungeduld in seinem Innern, beherrschte sich aber.
    »Hat das mit den Mordfällen zu tun?«
    »Nein. Kommt Ihnen der junge Mann bekannt vor?«
    »Schon möglich. Andererseits bin ich nicht …«
    »Sie erinnern sich nicht zufällig an den Schlüssel, den Sie kürzlich gefunden haben?«
    »Ach ja, der Schlüssel, genau.«
    Die Finger schnippten, der Mund blieb offen. Sie drehte sich langsam um, das Bodengitter unter ihren Füßen knirschte.

Weitere Kostenlose Bücher